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Hugo Boss | „We want to inspire“

Hugo Boss | „We want to inspire“

style in progress Hugo Boss
Führt die neue Genderless-Welle Hugo Boss aus seiner Testosteron-Komfortzone heraus? Davon sind zumindest Kristina Szász und Nadia Koki im Interview mit style in progress überzeugt.

Interview: Stephan Huber. Fotos: Hugo Boss

The Future is Female. Viel zu oft wird das als netter Slogan missbraucht. Gilt er denn auch für die Modeindustrie?

Kristina Szász, Senior Vice President Boss Womenswear: Nadia und ich sind gute Beispiele für diese These, zusammen mit vielen weiteren großartigen weiblichen Führungskräften im Unternehmen. Aber vielleicht ist es sogar ein bisschen veraltet zu sagen: „Die Zukunft ist weiblich.“ Denn aus unserer Sicht muss die Zukunft in einem vielfältigen gesellschaftlichen Umfeld inklusiv sein. Sie muss alle unterschiedlichen Kulturen, Meinungen und Perspektiven berücksichtigen. Und in diesem Zusammenhang ist die weibliche Perspektive sicherlich von großer Bedeutung. Ich stimme Ihnen völlig zu, dass vor allem im letzten Jahrzehnt die Präsenz von Frauen in Führungspositionen in allen Unternehmensbereichen und auf allen Ebenen deutlich zugenommen hat. Und natürlich gibt es auch inhaltlich eine Veränderung und Weiterentwicklung. Bei Hugo Boss werden die DOB-Abteilungen ausschließlich von Frauen geleitet, zum Beispiel im Design oder in der Produktentwicklung und Kundenkommunikation. Das ist umso spannender, weil Boss jahrzehntelang eine sehr maskuline Marke war. Wenn man als Frau eine Kollektion für Frauen entwickelt, bedeutet das einen anderen Ansatz als sie für Männer zu entwickeln.

Frauen waren in der Mode lange Zeit entweder Dekoration oder Kundin. Ich vermute, vor allem das Zweite sollte sich nicht unbedingt ändern.

Nadia Kokni, Senior Vice President Global Marketing: Frauen bleiben die wichtigste Zielgruppe in der Mode. Nicht nur wegen ihrer eigenen, deutlich gestiegenen Kaufkraft, sondern auch, weil sie den Großteil der Konsumentscheidungen treffen; nun aber mit einem neuen Selbstbewusstsein, das eng mit den Veränderungen ihrer gesellschaftlichen Rolle verbunden ist. Die Veränderung und Flexibilisierung der Arbeitswelt hat einen wichtigen Beitrag zur Präsenz und Sichtbarkeit von Frauen in der Branche geleistet. Viele Unternehmen, auch Hugo Boss, forcieren das ganz bewusst, um von den Frauen kein Entweder-oder mehr zu verlangen, sondern die Vereinbarkeit von Kindern und Karriere zu ermöglichen, wenn sie das wollen. Dieser Weg musste erst gebahnt werden, es wurde den Frauen nichts geschenkt. Wenn es heute so etwas wie weibliche Solidarität gibt, die in einem ganz neuen Verständnis von Solidarität tatsächlich bejahend und ermächtigend ist, dann ist dies nicht zuletzt das Verdienst von Frauen, die die Modebranche unter erschwerten Bedingungen geprägt und gestaltet haben. Es war und ist wichtig, solche Vorbilder zu haben.

Wie manifestiert sich dieses neue Selbstverständnis?

Kristina Szász: Lange Zeit gültige Zielgruppendefinitionen wie Alter, Status oder Herkunft haben ihre Bedeutung weitgehend verloren. Trends werden heute von Frauen in Frage gestellt. Genauer gesagt: Frauen passen sich nicht mehr den Trends an, sie passen die Trends ihrer individuellen Persönlichkeit an. Das ist für uns bei Boss entscheidend, wenn wir über zeitgemäße Damenmode sprechen. Die muss über den Look hinaus viel leisten können. Denn nicht zuletzt in der oben beschriebenen neuen Arbeitswelt ändern sich die Trageanlässe nahtlos.

Klingt wie eine Neuerfindung des Business-Looks?

Kristina Szász: Mode sollte immer das Leben derjenigen widerspiegeln, die sie tragen. Wir versuchen also, Mode für Frauen zu machen, die auf sehr unterschiedliche Weise mitten im Leben stehen.

Nadia Kokni: „Be your own Boss“ ist schließlich eine sorgfältig ausgewählte Schlüsselbotschaft und Markenaussage. Sie beschreibt nicht nur die Frau, die wir inspirieren wollen, sondern vor allem auch, wie wir als Marke auf sie zugehen. Diese Beziehung ist heute keine Einbahnstraße mehr, sondern eine ständige Interaktion. Wir wollen keine Anweisungen geben, wir wollen inspirieren.

Ist Schönheit vor diesem Hintergrund überhaupt noch ein relevanter Parameter in der Mode?

Nadia Kokni: Natürlich, unter anderen Bedingungen. Das Verständnis von weiblicher Schönheit ist heute zunehmend selbstbestimmt. Es geht um Selbstwertgefühl, um die Schönheit einer Frau, nicht um äußere Bestätigung. Das ist sehr befreiend und es ist sehr spannend, dies innerhalb einer Marke wie Boss voranzutreiben.

Genderless ist derzeit das treibende Thema – gesellschaftspolitisch und damit fast immanent auch in der Mode. Eine spannende Herausforderung für Boss Womenswear?

Kristina Szász: Oh ja, auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Genderless oder genderfluid ist gesellschaftspolitisch sehr relevant für die jungen Zielgruppen, für die Millennials und die Gen Z. Für uns ist es eine tolle Möglichkeit, diesen Trend mit dem Erbe der Marke zu verbinden. Und es funktioniert so perfekt, weil es heute eine weibliche Perspektive bei Boss gibt. Sowohl im Look als auch in der Ausrichtung des Unternehmens selbst. Genderless bedeutet für uns nicht, dass Frauen Männerkleidung tragen können. Auch das ist nicht neu. Vielmehr sehen wir es als ein Zusammenspiel. Das zeigt sich besonders beim Anzug, und die Kunden sind begeistert.

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