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Man/Woman Show Paris | „Für wen sollten wir wachsen?“

Man/Woman Show Paris | „Für wen sollten wir wachsen?“

Man Woman Show | style in progress
The human-scale tradeshow” nennt sich die Man/Woman Show in Paris und News York. Seit elf Jahren vor allem in der Menswear stark, spricht Gründer Antoine Floch eine geschlossene Community an Modern Classics Brands an. Post-Covid hat die Man/Woman Show den Community-Gedanken noch einmal verstärkt und sich auf den Standort am Palace Vendome konzentriert. style in progress hat mit Sales & Developement Director Lenny Guerrier gesprochen.
Kompliment, ein so internationales Publikum sieht man selten auf einer Messe.

Lenny Guerrier, Sales & Developement Director Man/Woman Show: Oh, vielen lieben Dank. Tatsächlich kommen 85 Prozent unserer Besucherinnen und Besucher der Man/Woman Show in Paris nicht aus Frankreich. In New York haben wir umgekehrt fast 85 Prozent Besucher aus Nordamerika, aber das ist auch der Sinn der Sache – denn New York ist für all die europäischen Brands aus unserem Portfolio das Sprungbrett auf diesen riesigen Markt. Zweidrittel unseres Pariser Portfolios zieht mit uns weiter nach New York, das ist eine große Auszeichnung für unsere Organisation.

Das Brandportfolio ist abwechslungsreich und doch sehr kuratiert auf den Bedarf eines bestimmten Typ Shops – das ist auch eure Absicht, richtig?

Absolut. Wir schätzen es, dass Marken wie Veja schon seit Anfang an dabei sind und natürlich braucht es auch Abwechslung und neue Brands, aber weil wir uns als mehr als eine Messe verstehen, haben wir unseren speziellen Filter entwickelt, um Marken neu aufzunehmen.

Der da wäre?

Wir sehen uns die aktuellen Kunden und die Wunschkunden potentieller Aussteller an und matchen diese Listen mit unseren Besuchern, gibt es eine Schnittmenge, gehen wir voran und überprüfen, ob Werte, Inhalte und Image zu den anderen Brands hier passen. Hat eine Marke gar keine Vorstellung, welche Kunden sie ansprechen will, wissen wir, dass es zu früh ist, auszustellen. Denn wir fühlen uns verantwortlich für unsere Empfehlungen, wir haben eine wirklich tiefe Verbindung mit unseren Händlern, reisen viel. Kaum sind die Messen vorbei, schauen wir uns all die Läden auch an, die zu uns kommen. Wir stellen sie auf unserer Website vor, wir wissen, wonach diese Menschen suchen und was sie schätzen. Und wir kennen auch unsere Marken bis in die Tiefe und Grundlage jeder Hallenplanung ist, wie sich Aussteller befruchten können. Wir wissen zum Beispiel, die eine Marke ist in Spanien stark, die andere will diesen Markt gerade aufbauen und sucht einen Agenten. Dann stellen wir diese beiden Marken nebeneinander und connecten die Leute, dann ergibt oft eines das andere. Das ist ein sehr natürlicher Prozess hier, menschlich, „human scale tradeshow“ haben wir nicht zufällig als Subline gewählt.

War das immer so?

Nein, offen gestanden waren wir vor der Pandemie zu groß geworden. Verteilt auf drei  Locations in Paris, 150 Marken, da hat dieser Community Gedanke gelitten und das haben uns sowohl unsere Aussteller als auch unsere Besucher wissen lassen. Wir haben zugehört und die Pandemie war der perfekte Moment, das zu korrigieren.

Keine Verlockung mehr, noch mal zu wachsen?

Für wen denn? Die Zahl der Shops, die wir so lieben, wird jedes Jahr kleiner. Unabhängiger Einzelhandel – und an den glauben wir – wird in jeder Stadt die Ausnahme, nicht die Regel. Das heißt auch: Steigende Besucherzahlen brauchen wir nicht erwarten. Mehr Marken? Klar gibt es jede Saison unglaublich viele neue spannende Projekte, aber wir tragen Verantwortung: Wir möchten, dass die Einkäufer auf der Man/Woman Show mit Brands in Kontakt kommen, die nicht morgen wieder eingestampft werden.

Und jetzt mal ganz ehrlich: Wie viel neue Brands pro Saison nimmt denn ein Spezialisten-Laden, wie er hierherkommt, auf? Eine? Zwei?

Exakt! Unsere Buyer kommen aus einer Welt, in der Marken aufgebaut und nicht durchgejubelt werden. Sie zelebrieren das und haben auch die Endkunden, die eine Marke entdecken und dann über viele Jahre begleiten wollen. Das machen eine Handvoll neue Brands Sinn, aber keine vierzig pro Saison. Wenn man sich einen Laden wie Beams ansieht, deren Portfolio besteht ja über mehrere Saisons aus den üblichen Verdächtigen – und ist trotzdem immer spannend und fantastisch erzählt!

Ihr seid also auch markenseitig Lobbyisten der unabhängigen Labels…

Das ist doch verrückt, oder? Ich würde schätzen, dass 85 Prozent unseres Marktsegments aus diesen Passionisten hier besteht: Unabhängigen Marken, die auf sehr ehrliche Art und mit viel Leidenschaft ihre Brands entwickeln. Aber egal welches Modemagazin man aufschlägt, man sieht immer nur die gleichen Marken aus den großen Gruppen. Das ist so verkehrt, denn auch in den Läden hängen ja nicht nur die Big Brands. Aber im heutigen Modejournalismus haben die unabhängigen Brands selten eine Bühne. Ehrlich gesagt haben wir deshalb unsere Presseaktivitäten an diese Art von Magazinen auf ein Minimum reduziert – wir brauchen andere Kanäle, um die Besonderheit unserer Marken zu kommunizieren.

Okay, jetzt bin ich gespannt…

Was die Antwort darauf ist, dass die normale Modepresse die unabhängigen Brandss ignoriert? Die Läden selbst haben die Kommunikationsarbeit übernommen. Und machen wirklich einen fantastischen Job!

Noch ein Grund mehr, um eine enge Bindung zu eurer Community zu pflegen. Die Rolle einer Messe ist heute so viel mehr ist als eine Fläche zur Verfügung zu stellen und Stände zu verkaufen…

Absolut! Nur in dieser Gemeinschaft können wir unsere Unternehmen erfolgreich weiterbringen – das ist unser Ziel. Denn am Ende muss jeder von uns seine Miete, seine Angestellten, seine Lieferanten bezahlen können. Da sitzen wir alle im gleichen Boot, das eint uns und trägt viel zu diesem Community-Spirit bei, den man hier wirklich fühlen kann, oder?

Absolut, trotz aller Individualität sind die Besucher hier homogen, man sieht, dass das eine Tribe ist.

Oh, das freut mich! Community hat natürlich immer die Gefahr, dass man jede Saison die gleiche Suppe kocht, dem versuchen wir mit bewusstem Kuratieren entgegen zu wirken. Wir platzieren eine Bekleidungsmarke neben Accessoires, dann wieder Schuhe, dann Schmuck, seit neuestem auch Beauty. Wir müssen relevant sein, es muss sich für die Einkäufer lohnen, zur Man/Woman Show zu kommen.

Gibt es eigentlich Einkäufer, über die ihr euch besonders freut?

Wir wollen für alle aus dieser Community da sein, aber wenn Du mich fragst, worauf ich persönlich stolz bin, dann, dass wir eine so starke Verankerung bei europäischen, nordamerikanischen, japanischen und koreanischen Buyern haben. Seit ein paar Saisons kommen auch Einkäufer aus dem mittleren Osten und Südamerika, was uns wirklich stolz macht und auch für unsere Aussteller gut ist. Es zeigt, dass wir auf der Höhe der Zeit sind und uns auch neue Märkte erschließen können, wo es ebeno Potenzial für unsere Aussteller gibt.

Ich selbst findFür mich sind sie immer noch die besten der Welt, weil sie unglaubliche Fachkenntnis haben und sich für all die kleinen Detail begeistern. In unserer Kultur legen wir viel Wert auf das Image einer Brand, erst danach kommen die Stoffe, die Produktionsweise, die inneren Werte. In Asien erlebe ich das oft umgekehrt, da können sogar Marken mit einem vergleichsweise bescheidenen Image reüssieren, wenn sie ein fantastisches Produkt machen. Diese Expertise schätze ich sehr und sie deckt sich sehr mit den Werten der Man/Woman Show.

Danke für das Gespräch, Lenny!

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