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„Wir kaufen keine Nummer Sicher“ | Alexander Lochner, Lochner Top Fashion

„Wir kaufen keine Nummer Sicher“ | Alexander Lochner, Lochner Top Fashion

Alexander Lochner von Lochner Top Fashion in Burghausen hat die Corona-Zeit als einen „exorbitanten Push“ erlebt. „In den letzten sechs Monaten sind uns Dinge gelungen, von denen wir vor Covid-19 nur zu träumen gewagt haben.“ Mit gestiegenen Ansprüchen sei die Order um ein vielfaches schwieriger: „Ich hatte noch nie so große Mühe, mein Budget loszuwerden“, lacht der Unternehmer im style in progress Interview.
Alexander, Du hattest mir geschrieben, wie Corona euch und euren Laden völlig verändert hat, jetzt heißt es dafür zu ordern. An dem Satz, Du hättest zwei Kollektionen in der Einstiegspreislage nicht weiter geschrieben, weil die Kundinnen das nicht nachfragen würden, bin ich hängengeblieben. Das musst Du mir im Detail erzählen…

Generell tun wir uns seit Corona mit den Einstiegspreislagen schwer und mit den richtig teuren Kollektionen umso leichter. Daher haben wir uns auch von zwei Kollektionen in diesem Segment getrennt.

Aber haben wir nicht alle geglaubt, die Krise bringe einen neuen Realismus, was Preis-/Leistung anbelangt?

Ich kann nur aus unserer Erfahrung sprechen. Wenn ich in der Beratung einer Kundin sage: Top Cardigan, nur 169 Euro, dann fragt sie mich: Haben Sie nicht auch was aus Cashmere da? Nach Corona sind die Kundinnen, die kommen, noch viel mehr bereit, Geld auszugeben – aber eben für DAS Teil. Aber eben bestimmt nicht für das Kleid vom letzten Jahr in neuer Farbe.

Die Suche nach DEN Teilen sei im Einkauf besonders schwer, sagst Du.

Ja, zum ersten fehlt uns das Reisen sehr, die kleinen Entdeckungen, die ein Sortiment dann spannend machen. Viele Kollektionen haben sich auch zu wenig weiterentwickelt oder arbeiten mit viel zu vielen Carry Overs. Wir brauchen ein neues Bild und viele Highlights – keine Nummer Sicher!

Das ist ja auch genau das, was alle in der digitalen Order vermissen – die Neuentdeckungen, die überraschenden Momente in einer Kollektion, die man schon kennt.

Wenn Kollegen schwärmen, wie toll es doch ist, online zu ordern, kann ich nur den Kopf schütteln. Natürlich gibt es das ein oder andere Label, das easy online zu kaufen ist, weil die Qualitäten immer dieselben sind. Aber ich würde sagen, 80 Prozent der Teile, die ich einkaufe, muss ich auch mal in der Hand gehabt haben. Im Juli bin ich für ein paar wenige Showroom-Termine nach Paris gereist. Bei einem sehr großen Lieferanten hatte ich am Vortag die Onlinezugänge erhalten und konnte mir schon einen Überblick verschaffen. Obwohl das System super war und auch die Fotos inklusive der bewegten Bilder hochprofessionell gemacht waren, habe ich am nächsten Tag etwa 20 Prozent der Online-Vorauswahl gegen andere Artikel ausgetauscht. Weil eben die Qualität nicht soft genug war, die Ausschnitte doch tiefer als auf dem Foto dargestellt… usw.

Jetzt erzähl uns bitte noch von der Corona-Zeit und euren Lehren daraus bzw. was euch so erfolgreich gemacht hat.  

Wir haben uns voll und ganz auf die sozialen Medien konzentriert. Um ehrlich zu sein, haben wir nicht viel Umsatz erwartet. Bis zu diesem Zeitpunkt war unsere Instagram Seite in keiner Weise als Verkaufskanal genutzt worden – es ging eher darum die Kunden „anzumachen“. Schon ab dem zweiten Tag wurden wir quasi überrannt. Von da an wurde jeden Morgen geshootet – immer komplette Outfits inklusive Accessoires, ab 13 Uhr hatten wir zu zweit parallel FaceTime-Termine, ab 19 Uhr wurden die Pakete gepackt. Gekauft wurden in der Regel komplette Outfits. Homewear, Joggpants, Homeoffice-Outfits – Fehlanzeige. Unsere Kunden wollten ausschließlich Fashion-Pieces und Monochrome Looks. Das hatten wir ja ohnehin schon länger propagiert und so haben wir einfach unser Ding weitergemacht ohne nach links oder rechts zu schauen. Wir wollten auch authentisch und „wir“ bleiben und nicht plötzlich mit Live-Shopping oder Rabatt-Aktionen anfangen, nur weil das andere machen. Aber es war natürlich ein 24/7 Job!

Der sich aber gelohnt hat….

Ja, wir konnten während des Lockdowns 75 Prozent unseres normalen Umsatzes erzielen. Allerdings überwiegend mit Neukunden, rund 70 Prozent. Diese Neukunden sind absolutes Gold wert – sie sind nicht nur „treue Seelen“ und bestellen auch jetzt noch sehr regelmäßig, sie empfehlen uns auch weiter und bringen uns unfassbar viel Wertschätzung entgegen.

Wie war es, als die Türen wieder aufgingen?

Um ehrlich zu sein, waren wir fast ein wenig überfordert, als wir plötzlich den Laden wieder aufsperren durften. Wir hatten uns gerade so wunderbar eingegrooft im neuen Corona-Fashion-Life. Aber auch im Store war danach nichts wie es vorher war. Der Kontakt mit unseren Kunden war schon immer sehr eng und vertraut, aber was seit der Wiedereröffnung passiert ist unglaublich. Die Kundinnen kommen in den Laden und möchten sofort Looks oder eben die neuesten Teile sehen. Von wegen „ich schau mal durch“ – das war vor Corona! Sie bringen viel mehr Zeit als vorher mit, sind entspannter und wollen dann aber das Rundum-sorglos-Paket. Personal Shopping auf höchstem Niveau – nur dass es jetzt eben Standard ist.

Kommen die Instagram-Kundinnen jetzt auch in den Laden?

Ja, in nicht unerheblicher Zahl, sie reisen bis zu 200 Kilometer an. Dann vereinbaren wir in der Regel Termine außerhalb der Öffnungszeiten, um noch mehr Zeit für die Kunden zu haben. Inzwischen sehen wir unseren Store vielmehr als Showroom denn als Laden und sind überaus gespannt, was dieses Jahr noch so bringt. Auf jeden Fall kommt im Herbst noch unser Online-Shop, den wir noch vor einem Jahr kategorisch ausgeschlossen hatten. Aber auch dieser wird sehr Lochner-like werden und ganz anders, als es erwarten würde.

Was ist Dein Fazit? 

So schlimm die Krise ist, uns konnte nichts Besseres passieren. Wir sind extrem positiv gestimmt und machen einfach weiter unser Ding.

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