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Steffen Liese | „Ich wäre übersehen worden“

Steffen Liese | „Ich wäre übersehen worden“

Steffen Liese ist die stylische Karriereleiter der Modebranche hinaufgestiegen wie kein anderer. Mit nur 39 Jahren ist er nun Kopf der Marke JD Sports in Deutschland. Mit style in progress hat er über seinen Weg gesprochen.
Du hast im Retail einen echten Kaltstart hingelegt und heute bist du Geschäftsführer von JD Sports in Deutschland – sind solche Karrieren nur in der Mode möglich?

Ich denke das ist branchenunabhängig. Solche Karrieren sind überall möglich, jedoch oft sehr schwierig. Gerade in Deutschland werden viele Talente übersehen, weil zu viel Wert auf Formalitäten gelegt wird, anstatt auf die Leidenschaft, die Menschen wie mich antreibt. Wenn ich nicht das Glück gehabt hätte, von den richtigen Menschen zur richtigen Zeit unterstützt zu werden, wäre auch ich übersehen worden.

Es gibt immer weniger Nachwuchs, der sich Retail als Fulltime-Job vorstellen kann. Kann man das wieder ändern oder wird sich der Handel Alternativen überlegen müssen?

Aktuell herrscht Arbeitskräftemangel in allen Bereichen. Es sind längst nicht mehr nur Fachkräfte gesucht. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich zum Arbeitnehmermarkt und jedes Unternehmen muss sich die Fragen stellen: Wie mache ich mich zukunftsfähig? Wie werde ich Employer of Choice? Heutzutage muss das Unternehmen sich beim Arbeitnehmer bewerben und nicht umgekehrt.

Ist das eigentlich ein Imageproblem des Handels? Lässt sich das lösen, indem man persönliche Erfolgsstorys wie deine erzählt, um den Nachwuchs auf den Geschmack zu bringen?

Der Retail hat in Deutschland ein Imageproblem, das lässt sich nicht leugnen. Deutschland ist sehr studienorientiert und titelfixiert. Der Modeeinzelhandel hat einen geringen Stellenwert und spätestens seit der Pandemie ist bekannt, dass er nicht krisensicher ist. Außerdem sind, besonders in der jungen Gen Z, Selbstbestimmung und Work-Life-Balance zentrale Themen. Da wirkt eine Fünftagewoche unattraktiv. Meiner Meinung nach werden wir um Konzepte wie die Viertagewoche, Arbeitnehmer fokussierte Arbeitszeitmodelle und überdurchschnittliche Gehaltspakete jenseits von Urlaubs- und Weihnachtsgeldern etc. nicht herumkommen. Das sollte auch nicht das Ziel sein. Wichtig ist eine funktionierende Wertschätzungskultur. Dazu gehören eben auch Transparenz und Kommunikation, Talentförderung und das Teilen von Erfolgsstorys. Wenn wir uns als Chancengeber für den Nachwuchs begreifen, werden wir attraktiver.

Wann hast du verstanden, dass Mode deine Passion ist und dass dir diese Passion den Weg nach oben öffnet?

Als ich 13 war, habe ich großes Interesse für Mode entwickelt. Ich war die Generation Viva, habe mich dort inspirieren lassen und die Styles aus dem Fernsehen nachgekauft. Kleidung auszusuchen, hat mir schon immer Spaß gemacht und ich habe es geliebt, meine Freundinnen und Freunde sowie meine Familie zu beraten. Nach dem Abi ist mir dann klar geworden, dass ich eine Karriere in der Mode anstreben muss, und als eine Freundin mich auf die Ausbildung zum Handelsassistenten bei H&M aufmerksam gemacht hat, war das die logische Konsequenz.

Welches ist das unterschätzteste Talent des Beraters auf der Fläche? Und welche Bezeichnung würdest du adäquat finden?

Insgesamt ist dieser Job viel zu unterschätzt. Nicht nur durch die technische Verbesserung der Stores werden immer mehr Fähigkeiten verlangt, sondern auch durch die steigenden Ansprüche der Kundinnen und Kunden. Soft Skills werden in Zeiten steigender Diversität und Internationalität noch wichtiger, Know-how zu Nachhaltigkeit wird vorausgesetzt, Markenwerte müssen verstanden, gefühlt und vermittelt werden. Meiner Meinung nach wäre Marken-Influencer eine zeitgemäße Bezeichnung, da der Markenauftritt direkt in eine gewisse Richtung gelenkt wird.

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