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„Ihre Zukunft müssen Städte aus Sicht der Zukunft planen“

„Ihre Zukunft müssen Städte aus Sicht der Zukunft planen“

Susanne Tide-Frater Archäologin der Zukunft nennt sich Susanne Tide-Frater in Anspielung an ihren Bildungsweg. Als gefragte Unternehmensberaterin im Einzelhandel reicht ihre Erfolgsgeschichte von einer Verjüngungskur für die britischen Kaufhaussaurier Harrods und Selfridges bis zur Leitung der Abteilung Augmented Retail beim Mode-Disruptor Farfetch. Raphael Gielgen Trend Scout Future of Work Life and Learn: So heißt Raphael Gielgens Job bei der Schweizer Möbeldesignlegende Vitra. Offiziell wohnt er auf einem Biohof in der Nähe von Regensburg, in Wirklichkeit reist er von einer Stadt der Welt zur nächsten, um die spannendsten Entwicklungen zu beobachten.
Leere Schaufenster, Langeweile, Kaufverweigerer: Innenstädte und ihre Ladenzeilen scheinen in Problemen zu versinken. Und je größer das Problem, desto klüger ist es, das Blickfeld zu erweitern.

Deshalb diskutieren hier nicht Ladenbesitzer und ihre Vermieter über die Zukunft der Innenstädte, sondern ein Trendscout und eine Handelsstrategin: Raphael Gielgen (Vitra) und Susanne Tide-Frater (Browns). Die beiden diskutieren, welche Ladenkonzepte neue Generationen in Innenstädte locken und wo der Schlüssel für die Wiederkehr der Laufkundschaft liegt; sie äußern sich zur Rolle der Politik und dem Maßstab „Umsatz pro Quadratmeter“, und sie enthüllen, was in Zukunft wichtiger für einen Laden sein wird als die Ware.

Diskussionsleitung: Stephan Huber. Text: Petrina Engelke. Illustration: Tibo Exenberger/Caroline Seidler

Ich beginne mal mit meiner eigenen Sicht auf die Zukunft der Innenstädte. Ich denke, eine lebendige, vielfältige und natürlich wirtschaftlich solide Handelsstruktur ist der Zement, der Städte zusammenhält. Seht ihr das auch so?

Susanne Tide-Frater: Auf jeden Fall. Als Archäologin weiß ich, dass seit den frühen Griechen der Marktplatz, die Agora, der Ort ist, an dem gehandelt wird. Und das wird wohl kaum verschwinden. Zweitens habe ich schon immer geglaubt, dass die Zukunft des Handels viel weniger von der Ware abhängt als davon, wie wir Menschen leben, arbeiten und unsere Freizeit verbringen. Das trifft jetzt mehr zu als je zuvor. Die Pandemie und die wirtschaftlichen und sozialen Probleme haben diese Entwicklung vielleicht beschleunigt, aber ich glaube, das war schon im Gange. Was wir bislang als Handel verstehen – einen Laden mit starrer Einrichtung voller Ware, die ein Einkäufer ausgesucht hat – spricht neue Generationen einfach nicht an, so läuft das bei denen nicht. Sie mögen Mischkonzepte für Räume, in denen sie sich umschauen, unterhalten lassen und austauschen können. Diese Interaktion ist extrem wichtig. Allerdings berücksichtigen das nur die wenigsten der aktuellen Pläne im Handel. Das wäre meine erste Beobachtung: Wir werden uns verändern müssen.

Raphael Gielgen: Ich denke, unsere Zukunft wird von einer Generation geprägt, die sich nicht mehr damit identifiziert, Dinge anzuhäufen. Wir stehen am Anfang der Ära der Kaufverweigerer und einer neuen Generation von Erzeugern. Die wollen nicht unbedingt alle selbst produzieren, aber ich würde schon sagen, Hersteller werden akzeptabler, wenn sie sich in Kreislaufwirtschaft und Web 3.0 integrieren und durch Dezentralisierung klugen Akteuren zu Sichtbarkeit verhelfen.

Wird das schon bald passieren?

Raphael Gielgen: Ja, aus zwei Gründen. Nummer eins: Unter den 20-Jährigen und noch Jüngeren verbringen 90 Prozent den Großteil ihrer Zeit auf Twitch, TikTok et cetera, und erweiterte Realität, auch bekannt als Augmented Reality (AR), bindet ihre Aufmerksamkeit viel stärker als die physische Realität. Nummer zwei: Unsere Wirtschaft ist in Not, und das könnte erneut zum Wendepunkt werden. Ganz wie die Corona-Krise unseren Arbeitsalltag verändert hat. Zum Arbeiten spielt es keine Rolle mehr, wo du wohnst oder wo du dich gerade aufhältst. Und ich glaube, dieser Cocktail, gemixt aus der wirtschaftlichen Lage und dem Web-3.0-Wachstum, wird als Starthilfe für den Wandel fungieren. Gleichzeitig ist der stationäre Handel während der Pandemie sogar noch erstarkt, wo er richtig gemacht wurde. Denn dort wurde ein persönlicher Austausch zugelassen.

Susanne Tide-Frater Stationärer versus digitaler Handel, mit diesem Gegensatz haben wir die letzten zehn Jahre zugebracht, und das ist jetzt caduque, glaube ich, vorbei. Die beiden sind nicht zu trennen. Läden werden wichtig bleiben als Einfallstor zur Marke, weil sie eine Chance zum Begegnen eröffnen, zum Beispiel über das Riechen, eine Chance zum Ausprobieren, zur persönlichen Interaktion mit einem Produkt, aber auch mit anderen Menschen. Und das wird extrem wichtig bleiben, denke ich, und ineinandergreifen in einem zukünftigen Metaverse, das den traditionellen Handel eher bereichern als verdrängen wird. Ich möchte diese neuen Konzepte nicht einmal Ladenkonzepte nennen, denn sie könnten eher Clubs oder Wellnessorte sein, an denen man zufällig auch etwas kauft, aber mit einer vorher online zusammengestellten Auswahl.

Raphael Gielgen: Stimmt. In den letzten drei Wochen habe ich mir diese Entwicklung in New York, Boston, Seoul und Tokio angeschaut, zum Beispiel im Pan Am Store in Seoul. Solche Läden sind wie Museen, da entfallen vielleicht drei Prozent auf den eigentlichen Handel. Das Wort Laden passt da so wenig, wie ein Büro heute noch ein Büro ist. Und mit meinen 53 gebe ich zu bedenken: Wohl keiner von uns Dreien gehört zu der Gruppe, an die sich solche Konzepte richten. Verglichen mit uns leben die auf einem anderen Planeten und ihre Rituale sind das Einzige, was sie physisch zusammenbringt.

Susanne Tide-Frater: Genau.

Raphael Gielgen: Und deren Rituale sind anders als die Rituale von vor zehn, 15 oder 20 Jahren.

Absolut. Was bedeutet das alles für die Rolle der Innenstädte und ihre Weiterentwicklung?

Raphael Gielgen: Ein zentrales Innenstadtproblem ist ja derzeit der Verlust der Laufkundschaft, besonders in großen Städten, der Verlust von Berufspendlern, aber auch Touristen und Anwohnern. Innenstädte werden weniger frequentiert und das lässt sich nicht von einem großen Baukonzern lösen. Das geht nur mit gemeinschaftlichem Engagement der örtlichen Behörden, Eigentümer und Bauunternehmen, neue Ideen zu entwickeln.

Susanne Tide-Frater: Ja, Raphael, das ist wohl der Schlüssel. Solange Eigentümer und Stadtverwaltungen sich nur auf den Umsatz konzentrieren, werden sie Innenstädte nicht wiederbeleben. Sie müssen sich die Zeit nehmen, in die Zukunft zu investieren, bereits existierende neue Konzepte fördern und Jungunternehmer mietfrei einbeziehen. Sonst werden Innenstädte nie mehr lebendig.

Kannst du ein Beispiel für ein neues Ladenkonzept nennen, das zur Wiederbelebung einer Innenstadt beitragen könnte?

Susanne Tide-Frater: Schon allein der Ladenbegriff ist eher irreführend. Das sind Hubs, also Zentren. Ich gebe dir ein Beispiel, das es schon eine Weile gibt: Soho House, eine Club-Kette, die ursprünglich Arbeitsräume anbot. Dann wurde es ein Kommunikationsraum, in dem sich Menschen treffen konnten, eine Art Feierabendbüro. Jetzt bieten sie Wellness, Essen, Musik, Unterhaltung und nebenbei auch Räume, in denen man Möbel oder Mode kaufen kann, aber ein Laden ist das überhaupt nicht. Es ist ein Club. Dort hat man die Bedeutung von Interaktion früh verstanden. Allerdings fehlt dem Soho House ein Anreiz für Kreative. Das müssen neue Ladenkonzepte auch bieten, meine ich.

Und was ist mit Digitaltechnologien?

Susanne Tide-Frater: Für mich ist alles Omnichannel. Die Marke, nicht den Laden, muss man jederzeit und überall betreten können. Service ist in dieser neuen Handelswelt allerdings immer noch extrem wichtig. Man bekommt im Laden sein persönliches Erlebnis, nimmt aber keine Produkte mit, die werden geliefert, wann und wohin man will. Dass in Zukunft niemand mehr mit dem Auto in die Stadt fahren wird, liegt ja auf der Hand. Etwas entdecken zu können, das wird den Reiz und den Genuss der Innenstadt ausmachen. Jede Marke, die sich in der Innenstadt platzieren will, muss deshalb über exklusive, unverwechselbare Dinge nachdenken, die sie nirgendwo anders anbieten kann.

Heißt das, Konsum wird zur Nebenwirkung im Innenstadterlebnis?

Susanne Tide-Frater: Ja. Und trotzdem folgen viele Läden immer noch dem Maßstab vom Umsatz pro Quadratmeter, der sie vernichtet. Ich finde das erstaunlich. Schließlich überträgt sich alles, was im Laden passiert, am Ende auf den Umsatz, nur dass es nicht direkt an die eigentliche Verkaufsfläche gebunden ist. Wenn Händler und Marken das nicht überdenken, wird ihr Laden eingehen. Deshalb verschwinden ja die großen Ladenketten aus den Innenstädten, wie ich eben erst auf der Oxford Street in London sah. Diese Läden haben nichts zu bieten, was über das Onlineangebot hinausgeht.

Raphael Gielgen: Und übrigens, wenn man bloß ein mittelmäßiges Erlebnis bietet, wird Komfort zur treibenden Kraft. Wie beim Essenbestellen: Man will nur etwas zu essen, und das liefert jemand. Das ist kein Erlebnis, das ist nur bequem.

Susanne Tide-Frater: Genau.

Komfort ist sicherlich ein starker Antrieb. Andererseits: Ist Bequemlichkeit nicht auch der Tod der Kreativität?

Raphael Gielgen: Nein! Weil es Leute gibt, denen Kreativität und Erlebnis total egal sind. Sie wollen nur Komfort. So wie manche Leute essen wollen, was in deinen Augen Junkfood ist.

Und damit müssen wir zurechtkommen.

Raphael Gielgen: Na klar. Und die Idee von großen Marken, die mehrere soziale Milieus bedienen, die ist auch am Ende. Man braucht eine Haltung, man muss sehr genau klarstellen, wer man ist, was man herstellt und als Produkt oder Dienstleistung anbieten will. Wer das gut hinkriegt, hat eine Botschaft und damit Inhalte für den Omnichannel. Aber wenn du nicht weißt, wer du bist, wenn du keinen Standpunkt hast: Game over.

Bleiben wir kurz bei den Trends, die du beobachtest, Raphael: Wie fügt sich da – im Gegensatz zum bisherigen Ausnutzen der Globalisierung – der wiederentdeckte Fokus auf lokale Produkte und kulturelle Verbindung ein?

Raphael Gielgen: Ich denke, das gibt es schon sehr lange und aus mehreren Perspektiven. Für die einen ist das von Glaubwürdigkeit getrieben, für andere von Nachhaltigkeit oder davon, Menschen im Umland unterstützen zu wollen.

Susanne Tide-Frater: Es geht dabei aber nicht nur um kleine und lokale Künstler. Unterdrückte Kultur ist ein Aspekt, der weitere Chancen eröffnet, denke ich. Wir brauchen eine Neudefinierung von Kultur, denn das globale Kardashian-Magma wird in ein paar Jahren niemanden mehr interessieren. Und Kultur, Identität, Gemeinschaft, kleine Initiativen werden für diese Generation emotional wichtig sein.

Raphael Gielgen: Aber diese Aktivitäten sind vergleichsweise klein. Ich mag die „Buy local“-Bewegung auch, aber sie kann unsere Nachfrage niemals decken. Wenn wir alle uns völlig auf regionale Produkte konzentrierten, kämen massive wirtschaftliche Fragen und Probleme auf uns zu. Auf der anderen Seite: Globalisierung war eine gute Idee, aber wir haben sie in modernen Kolonialismus verwandelt. Wir, die Industrienationen, haben versucht, mittels billiger Arbeitskräfte, billiger Energie et cetera die höchsten Profite zu generieren. Klar, dabei haben wir diesen Ländern auch ein bisschen Fortschritt und Wohlstand gebracht, aber das war nicht der Kerngedanke der Globalisierung.

Aber sehen wir derzeit nicht, dass unsere Wirtschaft sich aus pragmatischen Gründen sowieso verändern muss?

Raphael Gielgen: Das schon. Ich denke, das beste Beispiel ist Patagonia. Ein wirtschaftlicher Wandel hin zu Zukunftsmärkten voller Chancen für jeden bedeutet, sowohl das System als auch seine Akteure müssen sich verändern. Es ist wie beim Sprachenlernen: neue Grammatik, Phonetik, Worte. Ich würde sagen, in zehn bis 15 Jahren sind 30 oder 35 Prozent der Unternehmen Teil eines Patagonia-artigen Systems. Und diesen Ansatz werden führende Wirtschaftsunis wie St. Gallen oder das MIT Sloane in Boston lehren.

Ist das dann noch eine Marktwirtschaft?

Raphael Gielgen: Ja, das ist Marktwirtschaft, aber mit einer anderen Mathematik.

Auch die Art, wie wir jetzt arbeiten, verändert Städte. In London und Frankfurt wandeln sich ganze Viertel, weil die Leute nicht mehr wie früher ins Büro gehen. Was richtet dieser neue Lebensstil in Innenstädten an, die früher das Epizentrum des Alltagslebens waren?

Raphael Gielgen: Darauf gibt es keine Einzelantwort. Betrachtet man nur die Finanzviertel: Die sind in der Tat tot. Aber die Finanzbranche ist nicht in jeder Stadt der treibende Faktor. Paris zum Beispiel wird immer beschwingt und lebenswert sein, weil Paris einem anderen Code als London und Frankfurt folgt. Oder Helsinki: Das ist nur eine kleine Stadt, aber sie ist meiner Ansicht nach vor solchen Problemen gefeit, weil sie sich einen Daseinszweck jenseits von Geschäft und Büro geschaffen hat. Ihre Zukunft müssen Städte aus Sicht der Zukunft planen, nicht aus heutiger Sicht. Sie werden scheitern, wenn sie ihre Zukunft vom Status quo ausgehend gestalten, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des Bestehenden neu erfinden wollen. Das führt uns nie in eine Zukunft, die uns besser gefällt. Stattdessen müssen wir ins Jahr 2032 oder 2035 springen und überlegen, was es dann wohl alles geben wird und wie uns das dabei helfen kann, uns neu zu definieren. Was sind aus Zukunftssicht betrachtet unsere Schlüsselaktivitäten, warum finden wir die authentisch, warum haben sie für jeden Bürger einen Wert? Und ob Kultur, Geschäft oder Bildung: Wer ist in diesem Ökosystem ein Partner?

Susanne Tide-Frater: Toll gesagt, Raphael. Von meiner Arbeit mit Selfridges damals, 2004, kenne ich die Stadtverwaltung von Birmingham gut, und ich würde sagen, diese Leute haben nicht unbedingt den Bildungshintergrund für die Denkweise, die du forderst. Wie würdest du das mit einem Stadtrat angehen?

Raphael Gielgen: Na, die haben vielleicht keine Übung darin, den Blick zu weiten. Aber die Zukunft aus Zukunftssicht zu planen ist kein intellektueller Ansatz, sondern ein Hack. Daher würde ich ihnen raten, sich bestehende Erkenntnisse vorzunehmen und deren Zukunftsfolgen zu beschreiben, um aus diesem Rahmen auszubrechen, und dann einen Aktionsplan zu entwickeln. Wenn sie ihre Zukunft aus Zukunftssicht planen, entsteht ein Bild, und es machen Menschen mit, die sich vorher nie engagieren wollten.

Reden wir jetzt auch von der Neuerfindung der Demokratie?

Raphael Gielgen: Wenn du das so nennen willst – ich würde das nicht tun. Das gibt dem Ansatz so viel Gewicht, und man versteht ihn schlechter.

Susanne Tide-Frater: Eigentlich meinen wir: Es geht nicht um den Handel an sich, sondern darum, den Sinn und Zweck von Innenstädten neu zu gestalten.

Bräuchte es für diesen Wandel eurer Meinung nach eine stärkere Politik, Verwaltung oder Gesetzgebung?

Raphael Gielgen: Ich bin kein Freund von Regulierung über Steuern. Klar, wegen unserer Ressourcenlage muss der Großteil unseres Lebens in Kreislaufsysteme wechseln. Nicht sofort, aber bald. Aber ich finde, Wendepunkte entstehen eher, wenn man eine breitere Vision als Leitbild vorgibt, als über Verbote und Steuern.

Glaubst du denn, genügend, also massenhaft Menschen werden ihr Verhalten von ganz alleine ändern?

Raphael Gielgen: Nicht über Nacht. Man kann aber auf die Aktienkurse der großen Modeplattformen schauen: Die sind ein wichtiger Indikator dafür, welche Richtung unsere Branche einschlagen wird und welche nicht. Wichtige Teile der Welt treten jetzt in eine Phase geringeren Konsums ein. Und das ist eine Chance. Wir wissen, dass Menschen ihr Tun überdenken und ihren Kurs ändern, aber das braucht Zeit.

Susanne Tide-Frater: Stimmt, aber der Auslöser wird nicht die Politik sein, sondern Druck von Zukunftsgenerationen und auch von vernünftigen Unternehmen. Die gibt es freilich kaum. Einen Nachhaltigkeitsbeauftragten zu haben, ist ja nur ein Pflästerchen. Für politische Lösungen ist es ein Problem, dass Abgeordnete in Stadträten nur für eine kurze Amtszeit gewählt sind und entsprechend selten langfristige Pläne schmieden. Deshalb glaube ich, die Lösung wird erst dann politisch, wenn es Druck gibt.

Raphael Gielgen: Ein Beispiel: Die Immobilienbranche in Europa ist mit ESG-Vorgaben konfrontiert. Diese Vorgaben verfehlen ältere Gebäude, deren Eigentümer nie in Verbesserungen wie Isolierung, Energieeffizienz und so fort investiert haben. Und weil Nachrüstung inzwischen zu teuer geworden ist, werden diese Gebäude zu verlorenen Vermögenswerten. Denn Großkonzerne wollen bei dieser Art Immobilien weder in Kredite noch in andere Aktivitäten investieren. Das zeigt, wie sich ein Markt regelt.

Was bedeutet das alles für die Rolle der Innenstädte in der nahen Zukunft? Sollte der Handel sich fürchten?

Raphael Gielgen: (lacht) Ich glaube nicht, dass die Akteure im Handel die Gefahren verschlafen. Sie kennen die aktuelle Lage und wissen, was vor ihnen liegt. Ich denke, jetzt kommt ein Kampf zwischen Vision und Risikobewusstsein, zwischen Rebellen und Bilanzen, zwischen Lenkern und Managern. Wir werden sehen, wer gewinnt.

Susanne Tide-Frater: Ich denke, reine Läden werden es schwer haben, sofern sie nicht zu einem Unternehmen werden, ich will jetzt nicht Marke sagen. Da wird es wohl viele geben, denen die Marktintelligenz und die Vision fehlt. Die sind aber nötig, um nicht nur die Ladenszene umzugestalten, sondern eine gebaute Umwelt, die viele, viele andere Dinge beherbergt. Wer wirklich Erfolg haben will, findet da viele Chancen, glaube ich, aber nicht ohne, wie Raphael es ausdrückt, eine Zukunftsplanung mit dem Blick in die Zukunft.

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