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Marc O’Polo | „Unkompliziert und ohne Kaufzwang“

Marc O’Polo | „Unkompliziert und ohne Kaufzwang“

In Kürze präsentiert Marc O’Polo das Pilotprojekt für seinen ersten Future Markenstore in München. CEO Dieter Holzer möchte damit Antworten finden auf die zentrale Frage: welche Vorteile des Onlinehandels können wir auch im stationären Handel abbilden? Seine Vision ist keine digitale Optimierung, es ist ein Game Changer des gesamten Verkaufsprozesses.

Interview: Stephan Huber. Text: Isabel Faiss. Fotos: Marc O‘Polo

Wie sollen wir uns den Future Store von Marc O’Polo vorstellen und was erwarten Sie sich von diesem Projekt?

Wir haben überlegt, welche Vorteile der Onlinehandel bietet und was wir davon auch stationär am Point of Sale umsetzen können? Punkte wie 24/7-Shopping sind natürlich unrealistisch, es gibt aber Themen, die durchaus relevant sind: Wir sehen beispielsweise den USP, dass Onlinehandel eine wirklich umfassende und dabei unverbindliche Auswahl bietet. Die Kaufentscheidung findet erst statt, nachdem der Kunde völlig frei und unbefangen zuhause ausgewählt hat, wahrscheinlich mehr, als er ursprünglich kaufen wollte. Die Absicht des Onlinehandels ist es, so viel wie möglich in einen Karton zu packen. Bis zum Checkout werden dem Kunden laufend Teile empfohlen, die ihm gefallen könnten. So viel wie möglich rein in den Warenkorb. Denn von viel die Hälfte ist immer noch mehr als von wenig die Hälfte. Im stationären Handel ist dieses System noch nicht gelernt. Unsere Absicht ist es, den Auftrag unserer Stores dahingehend zu verändern, nicht mehr den schnellen Verkauf an der Kasse zu generieren, sondern dem Kunden eine maximal große Auswahl mitzugeben.

Kann es mit diesem Ansatz denn gelingen, den Pferdefuß der hohen Retouren zu entschärfen?

Ich glaube nicht. Die Unverbindlichkeit generiert hohe Retouren, das ist inzwischen Verbrauchergewohnheit. Wir wollen uns nicht dagegenstellen, sondern an der neuen Art des Einkaufens partizipieren. Für uns lautet die Aufgabe: wie können wir in unseren Stores die Conversion Rate erhöhen? Viel zu oft ist der Ausschluss eines Kaufs der Weg zur Kabine, wegen Zeitmangel, der Bequemlichkeit oder den äußeren Umständen wie dem Wetter.?

Welche Aufgabe haben dann eigentlich die Mitarbeiter im Store?

Dieter Holzer, CEO Marc O’Polo, sieht die Herausforderung für den Store der Zukunft darin, den Empfehlungscharakter des Onlinehandels zu lernen.

Serviceorientierter und noch mehr auf den Kunden fokussiert als bislang, denn sie können viel flexibler und unabhängiger vom Umsatz beraten. Diese Freiheit, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen gibt dem Mitarbeiter einen ganz anderen Handlungsspielraum. Sie haben ganz neue Möglichkeit, den Kunden qualifiziert zu beraten. Wenn ein Kunde wegen einer Hose gekommen ist, muss es eigentlich das Ziel sein, ihm einen gesamten Look mitzugeben. Das ist für mich einer der ganz großen Vorteile des Onlinehandels, den wir auch stationär abbilden können.

Bedarf das auch einer besonderen Schulung für das Personal? Denn die primäre Aufgabe verändert sich ja.

Ganz sicher sogar. Genau das sind die Details, die wir in unserem ersten Prototypen Store verstehen und lernen wollen. Bevor wir dann einen Rollout starten, müssen wir selbstverständlich unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Fläche gezielt vorbereiten. Seit über hundert Jahren wird der Erfolg von Handel an der Kasse abgelesen. In der neuen Welt wird das komplexer werden, insofern werden wir auch die KPIs neu definieren müssen an denen wir den Erfolg eines Stores am Ende des Monats messen. Dafür sind neue Parameter wie Output und Retourenquote wichtig.

Eine der größten Herausforderungen wird doch die Zusammenschaltung aller Kanäle werden, oder?

Wir beschäftigen uns schon lange intensiv damit, die bestehenden Barrieren zwischen den einzelnen Kanälen einzureißen und haben dabei erst verstanden, wie schwer es ist, gewachsene Strukturen umzustellen. Daher war es auch eine wichtige Entscheidung, unsere gesamten digitalen Aktivitäten in einem zentralen Geschäftsbereich direkt unter dem Vorstand zusammenzufassen. Die Teams des neuen Bereichs „Business Intelligence“ sitzen auch räumlich beim Vorstand. Weil wir glauben, dass wir dieses zentrale Organ des Unternehmens in der Nähe der Führung haben müssen. Sie müssen uns treiben und wir sie. Damit sind sie nicht mehr Teil des Onlineteams, wo sie entstanden sind, sondern sind zentraler Bereich im Unternehmen Marc O Polo und verantworten unsere digitale Gesamtstrategie, von der E-Commerce nur eine Komponente ist.

Wie läuft im Idealfall die Customer Experience ab?

Als subtiler, unkomplizierter Vorgang ohne Kaufzwang. Man geht mit seiner Auswahl an die Kasse, wenn man einverstanden ist, packen wir noch ein paar Teile in die Tüte dazu, die wir empfehlen möchten. Statt einem Kassenzettel gibt es einen Lieferschein und vielleicht schon eine Retourentasche mit Rücksendeschein dazu. Der Kunde sucht zuhause in Ruhe aus und hat dann wie beim Onlinehandel die Möglichkeit, zu retournieren und über Rechnung zu bezahlen. Diese Logik drängt sich geradezu auf und wir denken, dass das der Weg ist, dem Kunden einen noch besseren Service anzubieten. Wir sind davon überzeugt, müssen aber den Beweis noch antreten.

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