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Into the blue | Lang lebe die Jeans

Into the blue | Lang lebe die Jeans

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Die Begrünung der Branche ist mit einer Ökojeans im Sortiment nicht erledigt. Unbequeme Wirtschaftsfakten sprechen für einen radikalen Wandel – und der birgt einen Wettbewerbsvorteil für Denim.

Text: Petrina Engelke

Die Klimakrise ist ein Unternehmensrisiko. In dieser Rubrik taucht sie im Börsenprospekt von Levi Strauss auf. An den Folgen von Erderwärmung, Umweltverschmutzung und Ausbeutung sterben nicht nur Menschen, sondern auch Unternehmen. Levi’s stellt sich zwar gern als Vorreiter bei den Nachhaltigkeitszielen und -maßnahmen dar, doch als der Weltmarktführer der Jeanshersteller beim Börsengang im März 2019 um Anleger warb, fehlte der 248 Seiten starke „Sustainability Guide“ bei den Verkaufsargumenten. Bleibt die Frage, wie man das Risiko in Schach hält.

Ohne Baumwolle keine Jeans.

Entschuldigung, an Ihrer Baumwolle kleben Denkfehler. Natürlich ist Biobaumwolle besser als konventionell angebaute. Aber auch sie reagiert empfindlich auf den neuen Normalzustand in puncto Klima. Hitzewellen und Trockenheit mindern oder zerstören die Baumwollernte ebenso wie Starkregen und Überschwemmungen. Jeansmarken und Denimwebereien suchen besser nach Alternativen.

Derzeit liegt die Hoffnung auf Hanf. Seine Fasern allein sind jedoch für Jeans zu kratzig. Während Ingenieure mit dessen Struktur experimentieren, forschen Wissenschaftler anderswo mit Faserbeimischungen aus Kelp-Algen oder züchten neue Biopolymere auf der Grundlage von Bakterien oder Hefepilzen. Kurzum: Wer heute noch sein Geschäft komplett von Baumwolle abhängig macht, ist so clever wie der Fabrikant, der an Lampenöl aus Walfett festhielt.

Neu in der Lieferketten: Durchblick!

Moment, das war noch nicht alles! Auch das Wasser wird knapp, fossile Vorräte für Energie und Plastikteile sowieso. Wachsende Müllberge heben die Entsorgungskosten. Und in einer Zeit, in der Kunden klickschnelle Befriedigung erwarten, bedrohen zunehmend Naturkatastrophen Produktion und Vertrieb mit Ausfällen. Es ist echt ein bisschen viel, was die Klimakrise den Unternehmen da vor den Latz knallt. Heulen, Zähneklappern, Lobbyarbeit, selbst Greenwashing kostet Zeit und Geld. Und dann wollen die Millennials auch noch wissen, wer ihre Jeans gemacht hat.

Besser könnte es ein Unternehmensberater auch nicht fragen. Denn statt wie der Ochs vorm Problemberg zu stehen, sieht man in einer transparenten Lieferkette genau, wo sich das eigene Geschäft von riskanten Stoffen und Prozessen abkoppeln lässt. Für Großkonzerne wie für kleine Läden gilt, die Wertschöpfungskette als eine Datenquelle für Verbesserungsansätze zu begreifen. AG Jeans zum Beispiel hat seine Produktion von der Frischwasserabhängigkeit nahezu befreit, indem es in den Fabriken in Los Angeles und Mexico Stadt ein Kreislaufsystem installierte. Das verringert nicht nur die Umwelt- und Sozialbelastung, sondern auch die Kosten – und sichert das Weitermachen etwa in Dürreperioden.

Mehr als eine Lösung

Eierlegende Wollmilchsäue wären super. Wrangler hat zumindest schon einmal eine wasser-, energie- und abfallreduzierte Färbemethode in einer Zusammenarbeit des spanischen Textilzulieferer Tejidos Royo mit der Texas Tex University entwickelt. Unterdessen schauen Levi’s und Jeanologica auf die Uhr. Sie haben beim Finishing Chemie durch Lasertechnologie ersetzt und plötzlich dauert ein Durchgang 90 Sekunden statt zwei bis drei Stunden Handarbeit pro Jeans. Zeit ist Geld – und Alleingänge kosten beides. Mit Gruppenarbeit beschleunigen Initiativen wie die Science-Based Targets Initiative oder die Fashion Industry Charter of Climate Action die Rettung des Geschäfts. Sie bringen Modefirmen und Experten an einen Tisch, um bewährte Verfahren auszutauschen und wissenschaftlich fundierte, messbare Ziele zeitnah zu erreichen. Verkaufszahlen als Erfolgsmaßstab kommen da aus der Mode.

Der heimliche Vorteil der Jeansbranche

Und nun mal Schluss mit dem Theater! Wie in einer romantischen Komödie kommen die Hauptfiguren als Letzte darauf, was das Publikum schon ewig weiß: Langlebigkeit liebt Denim. Klassiker wie die Levi’s 501, die Wrangler Blue Bell oder die Lee Riders haben Jahrzehnte voller Trends überlebt und sind Stars in Secondhand-Boutiquen. Wiederverwertungsoptionen sind quasi eingewebt. Während das flimsige Fast-Fashion-Segment vor dem von Analysten vorhergesagten Überholmanöver des Resale-Trends zittert, können Jeansmarken es sich mit Labels wie Authentic Vintage auf ihrem Bestand bequem machen. Mietjeans wie bei MUD und Edel-Aufmöbeldienste wie Atelier & Repairs und Re/Done erschließen neue Geschäftsfelder. Schon in der Designphase kann Denim die Weichen für ein Produkt stellen, das wenige Risiken und viele verschiedene Umsatzmöglichkeiten mit sich bringt. Dass all diese Strategien nebenbei die Erde retten, nutzt sogar dem Image.

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