Text: Stephan Huber. Fotos: Ecoalf
„Wir haben Recycling nie als das Endziel gesehen“, sagt Carolina Álvarez-Ossorio. „Im Gegenteil, das war nur der Anfang.“ Aus diesem Anfang entwächst nun ein neues, mutiges, fortschrittliches Kapitel: Regeneration. „Wir haben schon immer das Meer geschützt. Jetzt engagieren wir uns für die Regeneration des Bodens“, erklärt Carolina. „Das sind die beiden Säulen unserer Zukunft.“
Doch was genau bedeutet Regeneration, konkret regenerative Baumwolle? Im Gegensatz zur konventionellen oder sogar ökologischen Landwirtschaft baut die regenerative Agrarwirtschaft Ökosysteme wieder auf. Sie zielt darauf ab, die Gesundheit des Bodens wiederherzustellen, die Artenvielfalt zu erhöhen, den Wasserkreislauf zu verbessern, Kohlenstoff zu binden und das Gemeinwesen zu fördern. „Eine ökologische Baumwollfarm ist ruhig – beinahe tot. Der regenerativer Anbau hingegen ist lebendig“, erläutert Carolina. „Man hört Insekten, sieht Käfer, Vögel und Würmer. Es ist ein lebendiges System.“
Die Ergebnisse sprechen für sich: In Indien ist Ecoalf eine Partnerschaft mit Materra eingegangen und kooperiert mit Bauern in der Region Ahmedabad. In dieser Saison produzierten sie 2.100 Kilo Baumwolle und erneuerten dabei 51.000 Quadratmeter beschädigtes Land. Für die kommende Saison Frühjahr/Sommer 2026 sind es sogar 27.000 Kilo – damit werden ganze 657.000 Quadratmeter Land wiederhergestellt. Ecoalf präsentiert im Rahmen der Initiative erstmals eine gewebte Kollektion, die zu 100 Prozent aus regenerativer Baumwolle und natürlichen Farbstoffen besteht, darunter T-Shirts, Cargohosen, Kleider und Hemden. „Die Qualität ist unglaublich“, sagt Carolina. „Der Stoff ist weich und leicht. Als wir den Bauern die T-Shirts gezeigt haben, waren sie erstaunt. Sie konnten nicht glauben, dass der Stoff von ihren eigenen Feldern stammt.“ Diese Art der Kreislaufwirtschaft beginnt mit Vertrauen und endet mit Stolz.
In Zukunft möchte sich Ecoalf nicht auf Baumwolle beschränken, für die Winterkollektionen ist bereits regenerative Wolle in Entwicklung. „Das ist kein Trend“, betont Carolina. „Es ist das einzige verfügbare Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels. Bei der Regeneration geht es darum, wiederherzustellen, was beschädigt wurde. Und das gilt weit über die Mode hinaus.“
Damit wird Bildung ein zentraler Bestandteil der Strategie – sei es durch Schulungen für Landwirte, Sensibilisierung der Verbraucher oder branchenübergreifende Partnerschaften. Was ist der langfristige Traum? „Wir würden gerne so etwas wie ein Ecoalf House schaffen. Ein Ort, an dem wir alles, was wir gelernt haben, mit anderen teilen können.“
Diese Vision unterstreicht eine umfassendere Erkenntnis. Wahre Innovation liegt nicht im Produkt, sondern in der Perspektive. Recycling hat uns gelehrt, wie man mit Abfall umgeht. Regeneration fordert uns auf, mit der Natur zu arbeiten. Der Prozess ist langsamer – weniger linear. „Es geht nicht darum, mehr zu tun“, erklärt Carolina. „Es geht darum, es anders zu machen. Und es besser zu machen – gemeinsam.“