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Farfetch – ein Wendepunkt?

Farfetch – ein Wendepunkt?

Farfetch | style in progress

2021 hatte Farfetch einen Börsenwert von $ 24 Milliarden. Diese Woche wurde der einstige Tech-Darling durch einen Notverkauf um $ 500 Millionen an den südkoreanischen E-Commerce Riesen Coupang vor dem Zusammenbruch gerettet…vorerst. 

Noch sind nicht alle Details des Deals bekannt, insbesondere wird spannend, ob und in welchem Umfang Farfetch-Töchter wie Browns London, die New Guards Group ((Off-White) oder Sneaker-Reseller Stadium Goods davon betroffen sind.

Aber das große „Wie konnte es nur so weit kommen?“-Geraune hat schon vielstimmig eingesetzt. Spoiler: Die allseits beliebten Universalausreden für eigentlich eh alles, also (immer noch) die Pandemie, Krieg und Inflation, taugen allesamt nicht. Tatsächlich sehe ich fünf wesentliche Gründe für diese spektakuläre Beinahe-Pleite, die durchaus als Zäsur betrachtet werden muss.

1. Gescheitertes Business Modell

Harte Ansage, aber offensichtlich war die Grundannahme, als Tech Backbone und Selling Plattform der Luxusindustrie profitabel zu werden nicht tragfähig für ein langfristig gesundes, also aus sich heraus profitables Geschäft.

2. Fehlender Fokus

Ausgestattet mit gefühlt endlosem Spielgeld wurde munter investiert. Zweifellos auch in außergewöhnlich spannende Projekte und eigentlich richtigerweise vor allem in Zukunftstechnologien. Aber das einerseits eben den Fokus auf das eben noch lange nicht profitable Core Business vernebelt, andererseits aus dem Start Up in kürzester Zeit einen Konzern gemacht. Mit immer mehr Management-Ebenen, immer mehr Wechselwirkungen und dadurch in vieler Hinsicht schwerfällig und langsam.

3. Luxusmarken als geschlossene Systeme

Der beinahe uneingeschränkte Access zum Luxus-Universum war das vielleicht zentrale Versprechen von Farfetch. Und dieses Versprechen war zweifellos der entscheidende Trigger für beständig wachsende Userzahlen. Dumm nur, dass sich immer mehr Stars dieses Universums zu geschlossenen Systemen entwickeln, die volle Kontrolle über jedes Details ausüben, insbesondere auch über den Off Price- oder auch den Secondary Market. Farfetch konnte den Verlust dieser Zugpferde nicht kompensieren.

4. Der eigenen Hybris verfallen

Unternehmer wie Jose Neves, zweifellos eine Ausnahmeerscheinung, werden im Zeitalter der 24/7 Aufmerksamkeitsökonomie zu Rockstars und Göttern aufgeblasen. Irgendwann diesem Hype selbst zu erliegen, ist durchaus menschlich. Und durchaus fatal.

5. Menschen sind mehr als Daten

Der vielleicht wichtigste Auslöser dieses lauten Knalls ist aber der Konsument selbst. Der will einfach nicht so, wie viele ExpertInnen das tagaus tagein gepredigt haben. Die vollständige Online-Übernahme des Geschäfts mit der Mode hat nicht stattgefunden. Und wird es auch in Zukunft nicht. Gleichzeitig entwickelt sich eCommerce auch weiter und zwar weg von den großen, in jeder Hinsicht auf Masse ausgelegten Plattformen hin zu kleineren Formaten die, ganz Community-orientiert, verstanden haben, dass auch GenZ emotional abgeholt werden will und das Erlebnis jenseits der simplen Anschaffung sucht. Aber bei Farfetch & Zalando und Co eben nicht findet.

Das vermutliche Ende von Farfetch (as we know it) ist also mehr als nur ein sehr gigantischer Einzelfall. Nämlich ein möglicher Wendepunkt. Umsätze sind schön, Erträge sind schöner. Und ein Börsenwert ist immer nur eine Momentaufnahme.

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