Rag & Bone
Past Forward: Robert Geller über die Rolle von Tradition in der Menswear der Zukunft

Wie lässt sich der Status quo der Menswear beschreiben? Wir haben uns mit Robert Geller, Head of Menswear Design bei Rag & Bone, zusammengesetzt, um diese Frage zu beantworten. Ein Gespräch über die Bedeutung der Marken-DNA in seinem Designprozess, die Rolle von Emotionen in der Debatte um Relevanz und den heutigen Wert von Individualität.
In vielen Gesprächen mit dem Handel wird derzeit eine gewisse Orientierungslosigkeit spürbar – gleichzeitig scheint alles möglich zu sein. Wie ordnest du die aktuelle Phase der Menswear ein?
Was ich beobachte, ist eine Rückbesinnung. Nach der Dominanz von Streetwear und Hype-Kultur sehnen sich viele wieder nach mehr Eleganz – nach Tailoring. Aber niemand möchte den Komfort aufgeben, den wir uns über die letzten Jahre angewöhnt haben. Bei Rag & Bone haben wir den Vorteil, auf eine DNA zurückgreifen zu können, die genau in dieser Hybridität liegt: ein Mix aus casual und tailored, Denim und Präzision.
Wie sehr beeinflusst die Geschichte und DNA von Rag & Bone deine tägliche Designarbeit – und wie schaffst du es, nicht in der Vergangenheit verhaftet zu bleiben, sondern diese zeitgemäß zu interpretieren?
Für mich beginnt jede Kollektion mit einem historischen oder kulturellen Narrativ. Das Fundament ist die DNA der Brand – New York, Denim, Funktionalität. Aber darauf bauen wir jede Saison neue Geschichten. Ich selbst bringe natürlich meine Einschätzung zu Farben, Schnitten, meine Perspektive ein. Aber das Herzstück bleibt diese spezifische Handschrift: lässig, aber durchdacht – rough, aber mit Intellekt.
Die klassischen männlichen Rollenbilder verlieren zunehmend an Relevanz. Braucht die Menswear heute überhaupt noch Vorbilder?
Ich glaube, dass wir uns in eine Ära der Individualität bewegen. Die wichtigsten Impulse kommen zunehmend aus dem eigenen Inneren. Wenn Menschen herausfinden, was wirklich zu ihnen passt, sehen sie automatisch gut aus, davon bin ich überzeugt. Heute geht es darum, die eigene Sprache zu finden. Social Media hat das natürlich einerseits beschleunigt, andererseits aber auch oberflächlicher gemacht. Für mich sollte das Ziel nicht sein, jemandem zu folgen – sondern zu sich selbst zu finden.
In der Womenswear beobachten wir eine Verschiebung von Status zu Substanz. Gilt das auch für die Menswear?
Ja, absolut. Die Konsumenten denken heute bewusster. Sie investieren in Teile, die Bestand haben, die sie wirklich lieben – nicht in das, was ihnen der Algorithmus gerade diktiert. Das ist eine Entwicklung, die ich sehr begrüße. Für mich war die Hochphase des Hype-Zirkus ziemlich belastend. Heute geht es wieder mehr um Handwerk, um Qualität. Jemand hat mal gesagt: „Subtlety has died in the digital age“ – ich glaube, das beginnt sich gerade wieder umzukehren.
Ein Begriff, der uns bei style in progress über die letzten Monate stark beschäftigt hat, ist „Relevanz“. Was bedeutet Relevanz für dich – insbesondere im Kontext der Menswear?
Relevanz hat heute eine emotionalere Komponente als früher. Es geht nicht mehr darum, was laut oder dominant ist, sondern was persönlich anspricht. Für mich ist Relevanz eng mit Aufmerksamkeit, mit Bewusstsein verbunden. Wer sich selbst gut kennt, kann auch erkennen, was für ihn relevant ist. Es ist ein Gegentrend zum fremdgesteuerten Konsum – hin zu mehr Selbstverantwortung, mehr Tiefe. Und das macht die Arbeit als Designer aktuell auch so erfüllend.