Melagence
„Luxus ist individueller geworden“

Warum kann eine funktionale Jacke über mehr Wert verfügen, als eine Seidenbluse? Im Interview spricht Mela Bauer von Melagence über eine neue Ernsthaftigkeit in der Womenswear – und darüber, was der Camino mit Luxus zu tun hat.
Interview: Nicoletta Schaper. Fotos: Melagence
In der Women’s Contemporary haben sich die Vorzeichen geändert: Noch vor zehn Jahren gaben Designer den Ton an, heute entscheiden die Frauen selbst, was sie tragen. Ist das auch deine Beobachtung?
Mela Bauer, Inhaberin Agentur Melagence: Ja, da hat sich viel gewandelt. Die Zielgruppe ist heute oft älter, reflektierter. Aber ich sehe einen Widerspruch: Sind die Frauen wirklich selbstbestimmter? Oder sind über Social Media nicht einfach neue Vorbilder hinzugekommen?
Die Vorbilder wurden also eher ausgetauscht?
So empfinde ich es, ja. Früher war man eine Dries-van-Noten-Frau oder eine Prada-Frau. Heute ist das fluider. Die Inspiration kommt über Vorbilder, die wir uns digital suchen. Deshalb basieren ja ganze Geschäftsmodelle auf Insta-Ads und Influencer-Marketing.
Was bedeutet das für die Mode selbst?
Dass Funktionalität ein Muss ist. Die Performancewear ist längst im Luxus angekommen, wie Kollabos von Louis Vuitton mit Fußballclubs zeigen. Niemand zieht bei Regen eine Baumwolljacke an, nur weil sie gut aussieht! Es zählen langlebige Materialien, Wetterschutz, gutes Design.
Mit welcher Konsequenz für den Preis?
Transparenz ist heute entscheidend. Wenn ein Kleid von Christian Wijnants 1.000 Euro kostet, muss nachvollziehbar sein, warum: weil die Prints in-house entstehen und in Europa produziert wird. Die Leute vergleichen, sind informiert. Sie erkennen, wenn Preis-Leistung für ein T-Shirt von John Smedley nachvollziehbarer ist als von The Row.
Außerdem spielt Lifestyle eine zentrale Rolle. Mode ist nicht mehr alleiniger Ausdruck von Stil, oder?
Nein. Influencerinnen zeigen nicht nur ihre neue Tasche, sondern auch ihre Morgenroutine, ihre Bowl, ihren Lieblingskaffee. Mode ist oft nur Begleiter, aber sie muss auch alles mitmachen.
Auch bei jüngeren Konsumentinnen und Konsumenten?
Teilweise. Bei Männern sehe ich eine große Offenheit für funktionale High-End-Marken wie Arc’teryx, Veilance oder Satisfy. Sie zahlen auch mal 800 Euro für eine Jacke, wenn die Qualität sie überzeugt. Frauen greifen bei Basics eher zu Cos und kombinieren das mit einem Designerteil. Aber auch sie lassen sich nichts mehr vormachen.
Stichwort Community: Wie wichtig ist dieses Zugehörigkeitsgefühl in der Modewelt heute?
Sehr, wie mir kürzlich der Berlin-Marathon gezeigt hat. Nike, Adidas, aber auch kleinere Labels machen Events, bilden Running Clubs. Nach dem Lauf stehen alle gemeinsam auf der Straße und trinken ihren Matcha Latte. Für viele Brands sind solche Events wichtiger als jede Fashion Week.
Was noch macht für dich Mode relevant?
Dass die Marke zu ihrer Identität steht. Statt Trends zu adaptieren, sollten Marken Geschichten erzählen, die zu ihnen passen, wie Aeyde oder Jacquemus. Oder Arc’teryx, die sagen: Unsere rote Jacke ist für den Bergretter. Punkt.
Verschiebt sich damit der Luxusbegriff?
Luxus ist nicht mehr nur Status oder Preis, sondern wird individuell definiert. Im April bin ich den Jakobsweg gegangen. Mir die Zeit dafür herauszunehmen, war echter Luxus! Denn Luxus ist nicht etwas, das man einfach konsumiert. Es geht um die Dinge, die uns ehrlich berühren.