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The Future – Who? | Individualisierung als Chance?

The Future – Who? | Individualisierung als Chance?

Weil immer weniger Kunden das möglichst Gleiche kaufen, sitzen Retailer und Marken auf vollen Lagern. Die Zauberformel, die das lösen soll, heißt Individualisierung. Wie viel Eigensinn verträgt die Mode? Was passiert, wenn sie dem Konsumenten ein Mitspracherecht einräumt?

Text: Stefanie Buchacher. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler

Kunden unbewusst einbinden
Sophia Bitter, CMO Airfield

„Mode ist für mich nicht mehr der reine Besitz von schöner Bekleidung, sondern das individuelle Erlebnis mit dem Kleidungsstück und dem Mehrwert, den es vermittelt. Der Kunde sucht zunehmend den Weg raus aus der Massenware und dem Einheitslook, hin zu besonderen Qualitäten, neuen Silhouetten und der Geschichte hinter dem Produkt. In unserer Welt, in der der Kunde mit Schnelligkeit, Unberechenbarkeit und viel Einsamkeit konfrontiert ist, gewinnt in meinen Augen das Bedürfnis nach Individualität und einer liebevollen und aufmerksamen Kundenbetreuung in der Mode an Macht – über das gelernte Verkaufsverhalten hinaus. Im Zuge von ausgeklügelten Incentive Programmen macht es Sinn, den Kunden unbewusst in den Entwicklungsprozess einzubinden.“

Mode abseits von Trends
Pien Stieglitz, CEO und Creative Director Stieglitz

„Wie viel Individualität verträgt Mode? Bei Stieglitz lautet unser Prinzip: Be yourself, show yourself! Steh zu dir selbst und drücke deine Persönlichkeit auch durch deine Klamottenwahl aus. Stieglitz will genauso einzigartig und unabhängig sein, wie die tollen Frauen, die das Label tragen. Wir glauben an uns und gehen unseren ganz eigenen Weg, fernab von Fast-Fashion-Trends. Unsere Designs sind resistent gegen Hypes, über Kollektionen hinaus kombinierbar und können über mehrere Saisons hinweg getragen werden. Was sie wiederum nachhaltig macht. Wir arbeiten stetig an uns, indem wir auf unsere Kunden, auf ihre Wünsche und Bedürfnisse eingehen. Welche Designs und Prints mögen sie am liebsten? Welche Stoffe? Mit jeder Kollektion arbeiten wir daran, besser und nachhaltiger zu werden.“

Vom Kunden zum Creator
Marc Rosen, Executive Vice President and President of Direct-to-Consumer Levi Strauss & Co.

„Wir haben T-Shirts customized, wir haben Stickereien an Jacken angebracht, aber Jeans selbst zu gestalten, ist etwas völlig Neues und bringt Personalisierung auf ein völlig neues Level. Es vertieft unsere Beziehung zum Kunden, indem wir beim Gestalten helfen und verstehen, was er macht und was ihn inspiriert, und indem wir verstehen, was er als nächstes machen möchte. Personalisierung stärkt die Bindung an den Kunden und stärkt dessen Bindung zur Marke. Es ist unser Denim und das Design des Kunden. Für unser Businessmodell bedeutet das eine komplette Transformation in der Art und Weise, wie wir arbeiten, und gibt uns eine neue Palette von Möglichkeiten. Es bedeutet eine Verlagerung von Verkaufen, was wir herstellen, hin zu Herstellen, was wir verkaufen. Es bedeutet eine Verlagerung von der Bewerbung eines Produkts, das wir zu einem viel früheren Zeitpunkt und in der Hoffnung, dass es unserem Kunden gefällt, entworfen haben, hin zu unserem Kunden und der Inspiration, was er selbst kreieren kann.“

Tiefer Kundendialog
Michael Donaghu, Vice President of Innovation, Nike

„Passform ist eine persönliche Sache. Intelligente Produkte (wie der selbstschnürende, motorbetriebene und per App steuerbare Nike Adapt BB) passen sich an und unterstützen den Athleten. Aber man verbindet sich nicht nur mit den Schuhen durch Nike Adapt. Man verbindet sich mit Nike. Was ich damit meine? Das Tragen generiert Daten über die Aktivität des Trägers, wenn die Leistung steigt, können neue Produkte oder Services angeboten werden – wie in einem Kreislauf. Normalerweise ist der Kauf eines Schuhs das Ende der Transaktion zwischen Hersteller und Kunde. Hier ist der Kauf erst der Anfang, denn der Austausch über die gewonnenen Daten hinaus kann bisher nie da gewesene Benefits freisetzen. Dieser Austausch hilft, unsere Produkte mithilfe eines wirklichen Dialogs zwischen dem Träger, Nike und den Schuhen besser zu machen. Wobei der Träger entscheidet, welche Daten er wann mit uns teilen möchte. Wir starteten diese Reise im Basketball, werden die Technologie auch für weitere Sportarten und Lifestylekategorien ausweiten.“

Echte Beziehungen
Hussein Chalayan, Designer und Dozent an der HTW Berlin

„Ich glaube, Individualisierung ist oft eine Herausforderung. Eine Antwort könnte sein, dass viele Nischendesigner die Bedürfnisse von mehr Individualisten bedienen können, indem sie Communitys ihrer Konsumenten aufbauen. Momentan ist dieses Modell für mich eine sehr kraftvolle und intensive Arbeitsweise, weil diese Beziehungen den Designer leiten können,  einer Absicht zu folgen, ohne seine eigene Vision aus den Augen zu verlieren. Das soll heißen, dass die Modebranche besonders kleineren Marken größere Unterstützung zukommen lassen sollte, denn momentan ist es traurigerweise so, dass die globale Modeindustrie ihr Hauptaugenmerk auf die Luxuskonglomerate und die Marken, die diese besitzen, auf Celebritybrands oder auf Marken mit reichen Eigentümern im Hintergrund richtet.“

Individualisierung-Statements

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