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Sustainability | (K)Eine nachhaltige Masche

Sustainability | (K)Eine nachhaltige Masche

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Während sich die einen fragen, ob man Wolle eigentlich noch tragen darf, stellen die anderen die langen Transportwege von Edelfasern wie Cashmere in Frage. Nachhaltigkeit im Strick ist ein besonders komplexes Thema, insbesondere da sich zu den herkömmlichen Fragestellungen der Sozial- und Umweltverträglichkeit auch noch das Tierwohl als Faktor gesellt. style in progress hat sich bei verschiedenen Playern erkundigt.

Text: Stefanie Buchacher, Martina Müllner-Seybold, Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper. Fotos: Hersteller

„Luxus zum Billigpreis ist das Problem“

Die Tier- und Umweltschützer haben nach den Pelzlieferanten jetzt die Cashmere-Stricker im Visier. Zu Recht?

Theresa Steinbacher, Brand Director Warm Me: „Nein. Wenn Cashmere richtig produziert wird, ist es mit Sicherheit eines der nachhaltigsten Garne, das man bieten kann. Die Haltung der Cashmere-Ziege ist auf bestimmte Regionen beschränkt, weshalb sie gar nicht in Massen gehalten werden kann. Darüber hinaus kommt sie bei der Garngewinnung normalerweise nicht zu Schaden. Erst die gestiegene Nachfrage und die sinkenden Erlöse für Cashmere haben das geändert: Wenn man Luxus für billig will, läuft zwangsläufig etwas falsch.

Ich finde es daher scheinheilig, dass jetzt Fast-Fashion-Ketten mit dem Finger auf Cashmere zeigen und das Garn in Misskredit bringen – denn erst durch den Anspruch, einen Cashmere-Pulli für 39 Euro oder weniger anzubieten, hat diese Produktionsbedingungen hervorgebracht. Ich traue mich zu sagen: Wer einen ordentlichen Preis für seine Rohware bezahlt, bekommt auch „gutes“ Cashmere.
Nachhaltigkeit heißt für uns, direkt mit den Produzenten zu arbeiten, um sicherzustellen, dass alle Prozesse in der Kette korrekt ablaufen. Dafür bin ich bis zu dreimal jährlich vor Ort und außerdem täglich mit unseren Produzenten in Kontakt. Ein zweiter, sehr essenzieller Punkt: Jedes produzierte Teil sollte keinen Überschuss darstellen, denn das Hauptproblem unserer Branche ist die zu viel produzierte Ware – egal ob im Luxusbereich oder in der Fast Fashion.“

„Langlebigkeit ist Nachhaltigkeit“

Was tut Malo für die Umwelt?

Luigino Belloni, CEO Malo: „ „Wir bei Malo sind Macher, wir reden über viele Dinge nicht öffentlich – das gilt auch für Nachhaltigkeit. Wir bemühen uns intensiv, unseren Fußabdruck zu verkleinern. Wir installieren zum Beispiel auf dem Dach unserer Produktion in der Nähe von Florenz eine Solaranlage und optimieren viele Prozesse, um Ressourcen erst gar nicht zu verschwenden. Ich finde allerdings, dass der Konsument Ehrlichkeit verdient: Gewisse Prozesse in der Strickproduktion sind ohne Chemie nicht machbar. Malo steht für brillante, langlebige Farben und die sind nicht möglich, wenn man ausschließlich auf Natur setzt. Also haben wir für die nächste Kollektion ein kleines Programm gestartet, das ungefärbtes Cashmere ins Zentrum stellt – auch das sind wunderschöne Töne von Mandelbraun über Weiß und Grau. Da die Faser nicht gefärbt wird, wird sie auch nicht beschädigt.“

„Kurze Wege“

Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?

Anja Grabherr, Creative Director Phil Petter: „Nachhaltigkeit bedeutet für mich zum einen, in der Region zu fertigen, also vorwiegend in Österreich, wo die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung stimmen. Zum anderen, dass wir auf hochwertige Qualität setzen, denn nur dann ist ein Produkt langlebig, nachhaltig und so auch zukunftsfähig. Deshalb arbeiten wir ausschließlich mit in Mitteleuropa produzierten Garnen und mit seriösen Betrieben, von denen wir wissen, dass die Merinowolle aus Italien kommt. Es passt für mich nicht zusammen, in Österreich einen Pullover zu stricken, dessen Garn erst einen langen Weg aus China zurückgelegt hat.“

Merinowolle ist aufgrund der Mulesing-Prozedur in die Kritik geraten.  

„Mulesingfreie Wolle ist ein Thema, mit dem wir uns intensiv beschäftigen. Leider ist diese Wolle teurer und in weniger Farben schnell verfügbar. Das muss sich verbessern, denn sonst wäre der Einsatz für uns nicht wirklich nachhaltig.“

„Man kann Cashmere 30 und mehr Jahre tragen“

Warum sind bei jedem Buttertea Cashmere-Produkt zwei Aufenthalte im Buttertea Cashmere Spa inklusive?

Hans-Bernd Cartsburg, Inhaber Buttertea: „Wenige Menschen wissen, dass es Kleidungsstücke gibt, die auch 30 Jahre oder länger halten, wenn sie richtig gepflegt werden. Es gibt Lieblingsteile, die langlebig und zeitlos sind und mit dem Alter immer schöner werden und die auch bei der nächsten oder übernächsten Generation Begehrlichkeit wecken. Das ist wahre Nachhaltigkeit. Solche Produkte liegen dem Team von Buttertea am Herzen und deswegen haben wir uns des Themas Cashmere angenommen.

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Wo leben die Ziegen, welche Einflüsse entscheiden über die Qualität der Fasern, welche Spinnerei verarbeitet die Fasern zu den besten Garnen und wo wird das Stricken noch als Handwerk zelebriert? Die Marke Buttertea ist unsere Antwort – übrigens benannt nach dem Nationalgetränk der Mongolei. Doch mit dem Verkauf des Produkts hört es nicht auf. Deswegen unterstützen wir unsere Kunden auch bei der Pflege der hochwertigen Produkte. Entweder im Buttertea-Spa, wo jedes Teil mit viel Liebe von professioneller Hand wieder aufbereitet wird, oder mit dem eigenen ökologischen Shampoo, das durch seine Inhaltsstoffe auch gleich die Motten von dem guten Stück abhält. Die beiden ersten Aufenthalte im Spa sind übrigens im Preis inbegriffen.“

„Billig- und Überproduktion sind der Fluch unserer Zeit“

Was sind die wichtigsten Anknüpfungspunkte, um Strick nachhaltig zu machen? Das vergleichsweise einfache Recycling?

Antonia Zander, Gründerin Antonia Zander: Einfach zu recyceln ist Strick leider nicht: Wenn man hochwertig arbeiten möchte, ist recyceltes Garn schwierig – bei guter Qualität geht es immer um Feinheit und Faserlänge, die bei recycelten Materialien nicht mehr gegeben sind – außerdem hat man keinerlei Nachweis über die Herkunft. Bei tierischen Fasern etwa, aus welcher Haltung die Schafe, Ziegen etc. stammen und bei pflanzlichen Materialien, ob diese mit Pestiziden behandelt und in Monokultur angebaut wurden …

Trotzdem ist Recyceln eine wichtige Entwicklung und gerade die vertikalen Ketten sollten ihren Kunden ermöglichen, Kleidung zurückzubringen, um das Bewusstsein zu erhöhen, dass es sich immer um einen Rohstoff handelt, der nicht ohne CO2-Emissionen hergestellt werden konnte. 

Meiner Meinung nach kann echte Nachhaltigkeit nur erreicht werden, wenn Kleidung bewusst hergestellt wird: Dazu gehört immer eine transparente Herkunft, die einen respektvollen Umgang mit Natur und Tier gewährleistet, sowie bestes Handwerk, das für lange Haltbar- und Tragbarkeit sorgt. Pullover für 19,90, die keine Emotion beim Käufer auslösen, werden nach einer Saison auf den Müll geworfen. Billig- und Überproduktion sind der Fluch unserer Zeit.

Mindestens zweimal im Jahr Neues, am „Alten“ prangen Rotpreise und dicke Prozente: Kann im aktuellen Handelsmodell echte Nachhaltigkeit eigentlich durchgesetzt werden?

Der Handel reagiert panisch auf das Onlinegeschäft und hat den Menschen aus den Augen verloren: Kunden, die nicht nur einen Sweater kaufen wollen, sondern ein Gefühl. Als ich meine Mutter als Kind das erste Mal in Luxusläden begleiten durfte, wurde sie empfangen wie eine Königin, mit Namen begrüßt, ein Glas Champagnerwurde gebracht (auch für mich als 12-Jährige), man hatte schon das Armani-Kostüm zurückgelegt, von dem man wusste, dass es genau ihr Stil und ihre Größe ist – da hat niemand auf den Sale gewartet. Da war es schlechter Stil, diesen Service für 70 Prozent Nachlass zu verlangen. Das Armani-Kostüm hat übrigens heute noch – 20 Jahre später – seine Berechtigung und hat nichts an Aktualität verloren. Das ist Nachhaltigkeit!

Wenn Einzelhändler aufhören würden, auf jeden Hype aufzuspringen, den dann alle identisch im Laden haben, und man keine individuelle Einkäuferhandschrift mehr erkennt, dann müssen sie auch nicht mehr säuerlich den Rotstift zücken, weil der Nachbar den gleichen Off-White-Stiefel schon um 70 Prozent reduziert hat.

Es gibt so viele (kleine) Labels, die es wert wären, gesehen zu werden, und die schon längst Nachhaltigkeit in ihrer DNA haben, ohne es laut rauszubrüllen – darauf sollten Buyer achten: Einzigartigkeit, nicht 08/15!“

Immer mehr Konsumenten drücken die Stopp-Taste: So ist es unter umweltbewussten Jugendlichen fast obszön, sich etwas Neues zu kaufen. Aber Verweigerung kann ja nicht das Ziel sein, zumindest wenn man Freude an Mode hat. Was ist Ihr Rezept?

Statt zehn T-Shirts für 9,99 das eine richtige für 99 Euro kaufen – transparent und verantwortungsvoll produziert – und lange Freude daran haben. Ich finde Verweigerung gut. Die Politik und der Handel sind skrupellos und achten nicht auf die Bedürfnisse der Bürger und Kunden: Glyphosat ist ein Beispiel. Wie kann man weiter erlauben, dass ein so giftiges Mittel auf unsere Felder gesprüht wird! In der Textilindustrie ist es genauso, wenn nicht noch schlimmer: Chemikalien und Herstellungsverfahren werden weiter angewendet, die für tödliche Krankheiten und schlimmste Umweltverschmutzungen verantwortlich sind, und werden von den Verantwortlichen weltweit aus reiner Profitgier geduldet. Wir Endverbraucher sind dafür verantwortlich, dass sich etwas ändert, und dürfen nicht mehr den Mund halten.

„Wir achten auf das Tierwohl“

Wie stellt man sicher, dass ein Cashmere-Pulli sauber produziert ist?
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Joanna Kapitza, Corinne Samson, Another Brand: Als wir Another Brand 2017 gründeten, war für uns klar, dass wir nur Materialien einsetzen möchten, die unter fairen Bedingungen produziert wurden. Cashmere wird aus der weichen Unterwolle der Cashmere-Ziegen gewonnen, wobei es bei der maschinellen Schur oft zu Verletzungen der Tiere kommt. Unsere Pullover und Accessoires werden in der Inneren Mongolei gefertigt. Hierfür wird ausschließlich Cashmere verwendet, das während des natürlichen Fellwechsels der Tiere von Hand ausgekämmt wird. Gestrickt werden die Kollektionsteile mit Handstrickmaschinen, nicht unter Akkord, während unsere Wordings und Details von Hand aufgestickt werden. Hierfür arbeiten wir mit einer italienischen Importeurin zusammen, die uns eine schmerzfreie Gewinnung der Wolle und faire Produktion bestätigt und hierfür die Betriebe mehrmals im Jahr besucht.“

„Zertifikate sind wichtig“

Wie geht nachhaltiger Strick?
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Orsola Bertni Curri, Knitted Love: „Knitted Love ist ein Slow-Fashion-Projekt mit handgestrickten Fashionpieces und Accossories. Hierfür werden nur zertifizierte, in Italien hergestellte Garne eingesetzt, denn Tierschutz ist ein sehr wichtiger Aspekt. Beispielsweise ist die eingesetzte Merinowolle 100 Prozent Mulesing-frei, organisch und mit so wenig wie möglich Chemikalien gefärbt. Eingesetztes Cashmere ist recycelt. Die Qualität der Garne, ihre Herkunft und ihre grünen Zertifikate spielen für mich eine wichtige Rolle beim Auswahl- und Sourcing-Prozess. Abgesehen davon werden die Garne von Strickerinnen in Italien und Österreich verarbeitet. Die Strickerinnen werden fair bezahlt und es gibt keine Überproduktionen, da auf Bestellung gestrickt wird.“

„Die Lösung lautet Öko-Cashmere“

Majestic Filatures hat sich dem „verantwortungsvollen Luxus“ verschrieben. Was genau verstehen Sie darunter?
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Christophe Bosc, Exportmanager: „Dazu muss ich vorausschicken, dass bei Majestic Filatures die Nachhaltigkeit seit der Gründung 1989 eine große Rolle spielt. Bei uns stehen Mensch und Planet im Fokus – eine Philosophie, die wir über die Jahre stetig perfektionieren konnten. Diese Saison bieten wir eine besonders nachhaltige Linie an, die – nomen est omen – ihre Funktion bereits im Namen trägt: Eco-Cashmere.

Das Rohmaterial dafür stammt aus den USA. Die Vintage-Pullover werden im Anschluss in speziellen Werkstätten in Italien sortiert, geschnitten und weiter verarbeitet. Den auf diese Weise gewonnenen Fäden wird beste Merinowolle beigemengt. Das Besondere an der Eco-Cashmere-Kollektion ist ihre hohe Qualität: Genau wie das ursprüngliche Cashmere besitzt auch die recyclte Variante einen weichen Griff, softe Strukturen und ist sehr widerstandsfähig. Argumente, die überzeugen – auch Cindy Bruna. Das französische Model ist das Gesicht unserer Eco-Cashmere-Linie.“

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