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Fashiontech | Statements

Fashiontech | Statements

Ein hochkomplexes Netzwerk hochkomplexer Strukturen mit hochkomplexen Zusammenhängen: Die Modebranche mit ihrem schnellen Wandel und ihren weit verzweigten Produktions- und Wertschöpfungsketten ist ein Dorado für intelligente Lösungen. Wir haben Vordenker gefragt: Wo drückt der Schuh und was soll möglichst rasch verbessert werden?

Text: Ina Köhler, Martina Müllner-Seybold. Illustrationen: Claudia Meitert@Caroline Seidler

Customer Centricity

Jörg Wichmann, Geschäftsführer Panorama

„Es geht um Customer Centricity. Um den Kunden mit seinen Wünschen ins Zentrum zu nehmen und ihm ein dynamisches Shoppingerlebnis zu liefern, müssen digitale Lösungen implementiert werden. Die großen Pain Points im Handel sind Wartezeiten, Bezahlprozesse, ein unüberschaubares Warenangebot, nicht verfügbare Ware und mangelnder Service. Da greifen digitale Lösungen, die Abläufe beschleunigen können, Mitarbeiter entlasten, um den Service gegenüber dem Kunden zu optimieren, Looks kuratiert und inspirierend in Szene setzen können, die navigieren sowie Defizite im Angebot erkennen und auffangen. Industrieseitig würde ich noch ergänzen, dass durch Digitalisierung die Beschleunigung aller Prozesse, von der Entwicklung bis hin zum Produkt am PoS, einen maßgeblichen Erfolgsfaktor darstellen.“

Digitaler Mehrwert

Robin Wöll, Mitglied der Geschäftsleitung Frauenschuh

„Natürlich wird im Bereich CRM-Lösungen viel passieren, denn am Ende entscheidet immer der Endkunde, was er kauft. Je besser ich meinen Kunden kenne, desto besser kann ich ihm das für ihn passende und individuelle Sortiment anbieten. Künstliche Intelligenz spielt hier in Zukunft natürlich eine zentrale Rolle. Außerdem wird sich sicherlich auch im Orderablauf vieles tun. Die Frage für mich ist nicht, ob die digitalen Showrooms kommen, sondern nur, wann sie sich wirklich flächendeckend durchsetzen. Für uns bei Frauenschuh spielen Themen wie faire Produktion, hochwertige Qualität bei den Materialien und somit die Wertschöpfungskette insgesamt eine zentrale Rolle, weshalb auch das Thema Rückverfolgbarkeit der Produktion bzw. Materialien ein sehr spannendes für uns ist. Es wäre toll, wenn der Endkunde einen Artikel im Store mit seinem Smartphone scannen und sofort erkennen könnte, wo ein Teil produziert wurde und welche Materialien genau verwendet wurden. Bei allen digitalen Gadgets der Zukunft ist aber meiner Meinung nach entscheidend, ob sie einen wirklichen Mehrwert für den Vertrieb, Verkauf oder den Endkonsumenten bringen. Alles was kein wirklicher Mehrwert ist, wird sich nicht durchsetzen.“

Touch Points statt Pain Points

Marco Lanowy, geschäftsführender Gesellschafter Alberto

„Bei Alberto gibt es keine Pain Points, sondern lediglich Touch Points. Diese gestalten wir bewusst interaktiv, indem wir kleine Helfer installieren. Das sind in erster Linie sprachgesteuerte Technologien wie unsere intelligente Einkaufsassistentin Alexa. Sie ermöglicht Informationsabfrage auf die Schnelle – etwa zu Größen, Funktionen, Verfügbarkeiten etc., sodass der Kunde zu keiner Zeit unbefriedigt, weil uninformiert zurückgelassen wird. Unser oberstes Ziel ist es, den Dialog mit dem Kunden ebenso gewinnend wie convenient und informativ zu gestalten. Wichtig ist uns aber auch die saubere Datenauswertung, weil sie es uns ermöglicht, noch besser auf die Wünsche der Kunden einzugehen. Eine reine Sammlung von Daten ist unsinnig. Wichtig ist allein der Lerneffekt, den wir im Sinne der Kundenbedürfnisexzellenz daraus ziehen. Wenn Alexa also beispielsweise regelmäßig nach einer verkürzten Variante unserer Bikepants gefragt wird, dann versteht es sich, dass wir diese auch entwickeln. Darüber hinaus möchten wir Alexa demnächst in unserem Conceptstore aber auch vermehrt dazu nutzen, um Warenkunde schnell und einfach auf die Fläche zu bekommen. Stichpunkt Notification: Wenn – einmal angenommen die Wettervorhersage für den Folgetag Sonne satt und hohe Temperaturen prognostiziert – so informiert Alexa den Kunden darüber und gibt ganz nebenbei den Tipp, dass das die ideale Gelegenheit wäre, sich nach den leichten, kühlenden Leinen-Styles von Alberto umzuschauen. Eine solche Ansprache ist natürlich immer eine Gratwanderung. Wir achten daher sehr darauf, dass solche Benachrichtigungen charmant sind und immer einen Zusatznutzen bereithalten. Was mich schließlich zu einem weiteren wichtigen Punkt bringt: dem Mehrwert. Wir bei Alberto digitalisieren nie der Digitalisierung wegen oder weil es womöglich gerade Trend ist. Wenn wir Technologien einsetzen, dann nur,  weil sie auch tatsächlich Relevanz für den Kunden besitzen.“

Bezahlen vereinfachen

Wolf Jochen Schulte Hillen, SHSelection

„Artificial Intelligence (AI) ist in Zukunft einer der wichtigen Treiber für Erfolg. Voraussetzung ist eine moderne Architektur der IT. Die meisten Händler haben Daten ohne Qualität. Hier hilft AI, die Daten zu veredeln, zum Beispiel als Grundlage für eine kuratierte Warensteuerung. Diese Daten verbessern auch die Koordination von Industrie und Handel. AI zeigt Business Needs auf und gibt Real Time Insights, die menschliche Fehler und Voreingenommenheit verhindern helfen. Aus China können wir lernen: Cashless Payment. Das Motto ‚Simplify Your Shopping‘ lädt zur Konzentration auf Produkt, Stimmung und Vibe des Ladens oder des Webshops ein, der Kaufvorgang tritt in den Hintergrund. Deep Blue, einer der großen AI-Factories, macht das mit biometrischer Erkennung der Handfläche. Der gesamte Kaufvorgang wird über die einmal registrierte Handfläche des Kunden abgewickelt. 80.000 Vending-Maschinen – einfacher und schneller als Amazon Go – wurden im letzten Jahr installiert. Bei uns ist selbst RFID oder Handynutzung beim Bezahlvorgang noch nicht selbstverständlich.“

Konstant lernen

Chris Morton, CEO The Lyst

„Lyst ist die weltweit führende Suchmaschine für Mode – wir sind sowohl ein Modeunternehmen als auch eine Tech-Firma. Um unseren Kunden zufrieden zu stellen und ihm zu helfen, zu finden, was er sucht, müssen wir beide Metiers können. Von Softwareentwicklung bis zu Datenauswertung, Social Media und einem Verständnis davon, welche Modeprodukte beim Konsumenten eine große Nachfrage auslösen werden. Das alles kommt bei uns zusammen und unterstützt sich gegenseitig.

Die Welt, wie sie einmal war, die wir kannten und verstanden haben, ist nicht die Welt, in die wir gerade hineinwachsen. Daher werden Lösungen, die in der Vergangenheit gegriffen haben, nicht zwangsläufig auch in Zukunft funktionieren. Wir dürfen das auf keinen Fall voraussetzen. Daher ist der beste Weg, zu verstehen, wie die neue Welt funktioniert, permanent zu testen, durchzuspielen und zu lernen. Naivität ist plötzlich wertvoll, weil sie dabei hilft, dass man gewisse Dinge testet, die ohne eine gewisse Naivität gar keinen Sinn machen. Dem Experimentieren kommt in unserem Geschäftsfeld eine Schlüsselrolle zu und es muss auch weiterhin Teil der Unternehmenskultur bleiben – denn es ist höchst wahrscheinlich, dass die Welt sich weiterhin so rasant verändert.“

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