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Digitalisierung | An vorderster Front

Digitalisierung | An vorderster Front

Sich vollständig dem Prozess der Digitalisierung zu widmen, erfordert Mut, Investitionsbereitschaft und Freude an der Innovation. style in progress hat mit Modemarken jeder Größe gesprochen. Digitalisierung bedeutet für alle – egal, ob global agierender Konzern, gesunder Mittelständler oder kleines Unternehmen – einn Zugewinn an Agilität und eine dynamische Zukunftsperspektive.

Text: Kay Alexander Plonka, Nicoletta Schaper

„Wir müssen immer einen Schritt voraus sein!“

Industrie 4.0: Die digitalen Technologien verändern auch die Produktion der Mode von Grund auf. Ein Wandel, den Daniel Grieder als CEO der Tommy Hilfiger Corporation für die Global Brand vorantreibt und aktiv mitgestaltet.

Daniel Grieder, CEO Tommy Hilfiger Corporation, denkt für die Marke in die Zukunft voraus.

Wie werden digitale Technologien die Produktionsprozesse von Bekleidung verändern?

Die digitale Technologie ist der Schlüssel, um unsere Kollektionen und unser Geschäft auf das nächste Level zu heben und neue Standards für eine schnellere, einheitlichere und umweltfreundlichere Produktion zu setzen. Wir haben große Schritte bei der Digitalisierung unserer gesamten Fashion-Wertschöpfungskette gemacht, vom 3D-Design über Augmented Reality bis hin zu künstlicher Intelligenz. Die Daten und Verbraucherinformationen ermöglichen es uns, unsere Wettbewerbsfähigkeit genauer einzuschätzen, die Effizienz unserer Produktion zu steigern und die Best Practices mit unseren Lieferanten zum Standard zu machen, um unser Produkt kontinuierlich innovativ und aktuell zu gestalten.

Wie geht eine globale Marke wie Tommy Hilfiger in diesem Zusammenhang mit Themen wie Personalisierung um? Inwieweit kann der Verbraucher ein Mitspracherecht haben?

Personalisierung bietet uns eine unglaublich tolle Gelegenheit, engere und authentischere Beziehungen zu den Konsumenten aufzubauen und ihre Markentreue zu stärken! Die heutige sehr gut vernetzte Generation wünscht sich nicht nur, sondern erwartet maßgeschneiderte und relevante Experience und Kollektionen. Das spornt uns umso mehr an, konsequent mit innovativer digitaler Technologie zu arbeiten, um ihre Erwartungen zu übertreffen und uns auf eine Weise mit ihnen zu verbinden, die für uns vorher nicht vorstellbar war.

Vorrangiges Ziel ist ein reibungsloser Prozess. Wo sehen Sie in der Wertschöpfungskette Einkauf, Produktion, Logistik die größten Herausforderungen?

Wir wollen unserer Branche immer einen Schritt voraus sein und arbeiten daran, die Lieferkette noch effizienter zu gestalten. So gelingt es uns, dank neuer Technologien unsere Beschaffungskompetenz zu verbessern und die Produkte noch schneller an unsere Kunden zu liefern. Es ist ganz entscheidend, sich fortwährend weiterzuentwickeln, zu testen und daraus zu lernen! So können wir auch kommenden Veränderungen begegnen und sind besser auf diejenigen vorbereitet, die wir uns noch nicht vorstellen können. Wir integrieren die digitale Technologie übrigens in alle Bereiche unseres Unternehmens, von internen Prozessen bis hin zu verbraucherorientierten Berührungspunkten. Unternehmen, die sich nicht an diese neuen Bedingungen anpassen und sich digital orientieren, werden bald aus dem Rennen gehen.

Was ist Ihr wichtigstes Learning?

Die Welt der Mode verändert sich schnell und wir sind stolz darauf, als eine der digitalsten und innovativsten Marken an vorderster Front bei diesem Wandel zu stehen. Das, was heute gut ist, ist morgen vielleicht nicht mehr gut, also müssen wir die Grenzen immer weiter verschieben, um weiterhin den entscheidenden Schritt voraus zu sein.

Die digitale Welle surfen

Aus einem Profisurfer ist ein Modegeschäftsmann geworden. Roberto Ricci ist nicht nur im Thema Nachhaltigkeit engagiert, er treibt auch die Digitalisierung seines Unternehmens voran.

Welche Investition in Digitalisierung haben Sie zuletzt vorgenommen?

Roberto Ricci, Inhaber und CEO von RRD: „Wir haben das Unternehmen vollständig auf SAP umgestellt und eine Enterprise-Resource-Planning-Software eingeführt. Das hilft uns, den gesamten Produktionsprozesses mit Ressourcen wie Kapital, Personal und Material rechtzeitig und bedarfsgerecht zu planen und zu steuern, und gewährleistet einen effizienteren Wertschöpfungsprozess. Wir vermeiden dadurch zum Beispiel eine Menge Abfall und haben eine bessere Kommunikationsverbindung zu unseren Lieferanten. Unsere neue Blazer-Serie ist beispielsweise damit entwickelt worden – vollständig mit Laser geschnitten, ohne Nähte, sehr elegant und Citylife tauglich und vollständig in Italien gefertigt.

Time-to-Market oder Time-to-Consumer ist die neue Kennzahl und wird in Zukunft immer wichtiger werden. Was macht RRD, um diese Zeiten zu reduzieren?

Wir haben gerade unseren B2C-Onlinestore überarbeitet. Hier zeigen wir eine kompakte Auswahl, von der wir glauben, dass sie in dieser Kombination auch gut in stationären Stores funktioniert. Für uns ist das mehr ein Schaufenster als ein Absatzkanal. Wir generieren hier nicht mehr als drei bis vier Prozent des gesamten Umsatzes. Wichtiger für uns ist, das klassische System zu optimieren. Auf Basis diese neuen Onlineshopsystems bieten wir ab August eine neue B2B-Plattform an, auf der Händler unsere eigens dafür produzierten Kollektionen ordern, aus den NOS-Programmen nachordern oder auch Ware tauschen können.

www.robertoriccidesigns.com

Marc Cain | Digitalisierung steigert Produktivität

Marc Cain setzt auf permanente Innovation, um am Standort Deutschland mit eigener Produktion bestehen zu können.

Technologie trifft Tradition: Als eine der marktführenden Strickspezialisten stehen bei Marc Cain Forschung und Entwicklung unbedingt im Fokus. Dank neuer 3D-Stricktechniken können Pullover, Röcke und Jacken mit angestrickten Taschen im 3D-Strickverfahren komplett ohne Nähe gestrickt werden. Darüber hinaus sind verschiedene Dessins von Zopfmuster über Rippe bis hin zu Jacquards ebenso wie die Kombination der Strickarten in einem Teil möglich. Mit einer zusätzlichen Investion in zwölf Flachstrickmaschinen der Firma Stoll hat Marc Cain auf 92 Maschinene dieser Art am Standort Bodelshausen aufgestockt, dazu kommen noch acht Rundstrickmaschinen. Die Maschinen verfügen über die neueste Rechnergeneration, getunt durch hauseigene Techniker. Die Softwareschulungen für die 3-D-Knit-&-Wear-Produkte nahmen 600 Arbeitstage in Anspruch, was sich laut Urs Konstantin Rouette, Geschäftsführer Beschaffung, Fertigung und technische Entwicklung auszahlt: „Im Jahr 2018 konnten wir Produktivitätssteigerungen im zweistelligen Bereich erzielen. Die freien Kapazitäten nutzen wir, um die Strickkompetenz weiter zu stärken und bieten ab der neuen Saison in Bodelshausen produzierten Strick auch im Lagerprogramm an.“ Ein weiterer positiver Effekt neben der Verkürzung der Produktionszeit ist die Energieersparnis: Bei den Strickteilen entfällt der Transport zu osteuropäischen Partnerbetrieben, was einer CO2-Ersparnis von knapp 20 Tonnen entspricht.

Gemini | Vom Pixel zum Produkt

Digitalisierung und Individualisierung sind aktuelle Megatrends und bieten große Chancen für eine nachhaltigere Produktion. Gemini CAD Systems zeigt mit seiner Micro-Factory, welche Möglichkeiten es für die Praxis gibt und stellt seit neuestem seine Software für Bildungseinrichtungen kostenlos zur Verfügung.

Text: Kay Alexander Plonka. Fotos: Gemini

Gemini ist auf Computer Aided Design (CAD) und Manufacturing (CAM) spezialisiert

Wer seine Produktion digital im Blick hat, kann Herstellungsprozesse effizienter und umweltfreundlicher gestalten. Die Applikationen von Gemini stecken schon heute in Prozessen von über 17.000 Unternehmen in 38 Ländern, helfen bei der Einsparung von Rohstoffen und tragen zur Verringerung des Wasser- oder Energieverbrauchs und der Umweltverschmutzung bei. Die Aktivitäten der rumänischen Firma umfassen die Erforschung und Implementierung von Software-, Hardware- und Workflow-Lösungen mit Schwerpunkt auf CAD und CAM für die Bereiche Mode, Möbel und Automotive. Seit 15 Jahren entwickelt Gemini intelligente Technologien, die mehr Effizienz und Ressourceneinsparung ermöglichen.

Auf der Texprocess in Frankfurt, der internationalen Leitmesse für die Verarbeitung von Textilien, war der Technologieanbieter mit einer „Pixel to Product“ Micro-Factory vertreten. Im Sommer wird im Rahmen der Fashionsustain in Berlin die kleine Textilfabrik noch einmal aufgebaut. „Für uns spielt die Vernetzung mit der Bekleidungsindustrie eine sehr wichtige Rolle. Deshalb werden wir auch im Juli im Rahmen der Berliner Fashion Week mit verschiedenen Partnern auf der Neonyt, der weltweit größten Messe für nachhaltige Mode, unsere Micro-Factory zeigen“, erklärt Luca Traian, CEO von Gemini CAD Systems. In der voll funktionsfähigen Produktionsstraße wird vorgeführt, wie global agierende Innovationstreiber Methoden für Zukunftsthemen wie Produktion On-Demand, digital bedruckte Textilprodukte, die Einbettung von Made-to-Measure-Individualisierung, Digital Assets Storage und Management oder 3D Live Simultan und Cloud Streaming sowie die Integration von E-Commerce, Body-Scanner-Plattformen oder Apps in der Praxis zu realisieren sind. Dabei geht es um einfache Lösungen, die die meisten Firmen mit bestehenden Ressourcen und Strukturen einsetzen können sollen. „Es ist an der Zeit nicht mehr nur über Flexibilität, Skalierbarkeit, Nachhaltigkeit und Funktionalität zu reden, sondern live zu zeigen, wie die Technik funktioniert. Wir möchten damit zur Weiterbildung in den Unternehmen beitragen und verdeutlichen, wie man diese neue Technologiewelle besser verstehen kann. Besucher sollen den Nutzen der Technik kritisch abschätzen können, ob es sich für sie lohnt, solche Maschinen im eigenen Betrieb zu verwenden“, sagt Traian und fügt hinzu: „Es gilt, digitalen Wandel so zu gestalten, dass er als Hebel und Unterstützung für Nachhaltigkeit dient. Physische Prozesse der Wertschöpfungskette weltweit ins Digitale zu transformieren, ist dabei der erste Schritt. Denn, wer Muster, Halbzeuge oder textile Vor- und Endprodukte nicht mehr analog verschickt, sondern digital, spart schon mal Kraftstoff und erzeugt dadurch weniger CO2 und Stickoxide.“

Luca Traian, CEO von Gemini schafft die Schnittstelle zwischen Technologie und Nachhaltigkeit.

Anfang Juni wurde das neue Gemini Academic Programm für die Software Gain gelauncht. Es gewährt Organisationen, Schulen, Universitäten und Personen, die in Bildungsaktivitäten involviert sind, kostenlosen Zugang zu allen kommerziellen Vollversionen für Desktop- und Cloud-Produkte von Gemini. „Die Digitalisierung mit all ihren Facetten ist heute die Hauptquelle für die Transformation der Modebranche. Neben zahlreichen Spielereien gibt es bereits viele gute Ideen, die große Verbesserungen herbeiführen können. Die Frage ist, wie machen wir sie uns zu Nutzen. Ganz einfach: durch Bildung. Bisher sind die Möglichkeiten an vielen Mode- und Bekleidungstechnik-Schulen noch sehr eingeschränkt. Deshalb haben wir uns entschieden, unsere Software unkompliziert und kostenlos für Lehrzwecke zur Verfügung zu stellen. Wir glauben daran, dass gut ausgebildete Nachwuchskräfte mit Hilfe moderner digitaler Technologie die Entwicklung in der Industrie grundlegend zum besseren für Mensch und Natur verändern werden.“

www.geminicad.com

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