Startseite » Zeam | „Gaming + Social Media = Metaverse!“
Zeam | „Gaming + Social Media = Metaverse!“

Wer das Metaverse und die Gen Z verstehen will, muss sie fragen – nicht nur, weil sie selbst Gen Z sind: Yaël Meier und Jo Dietrich haben 2020 ihr Unternehmen Zeam gegründet und beraten Unternehmen, die die junge Zielgruppe adressieren wollen, als Kunden oder Mitarbeitende. Was sie mitbringen? Know-how, Intuition und frischen Unternehmergeist. Für style in progress haben sie mit Stephan Huber und Nicoletta Schaper gesprochen.
Text: Nicoletta Schaper. Fotos: Zeam
Metaverse ist das dominierende Buzzword in der Fashionbranche. Aber wissen die Meisten überhaupt, wovon sie sprechen, wenn von Metaverse die Rede ist?
Yaël Meier, Mitgründerin Zeam: Gute Frage. Aktuell gibt es genauso wenig eine klare Definition fürs Metaverse wie für Sustainable Fashion. Wir sehen das Metaverse als den Moment, in dem das digitale Leben so relevant wird wie das echte. Und dieser kulturelle Wandel findet gerade statt.
Fast alles, was wir gerade in der Modebranche recht aufgeregt verhandeln, ist für die Generation, die mit Gaming aufwächst, völlig normal. Hat sie ein völlig anderes Verständnis von der virtuellen und der echten Welt, als es meine Generation haben kann?
Yaël Meier: Wir haben zur Gen Z und auch zum Thema Metaverse eine Studie gemacht, bei der über 4.000 Menschen verschiedener Generationen befragt wurden. Jugendliche sind deutlich besser darüber informiert als die ältere Bevölkerung. Das hat sicher auch damit zu tun, dass wir uns schon von klein auf in digitalen Welten bewegen. Außerdem ist zum Beispiel Fortnite, ein beliebtes Game der Gen Z, schon heute einer der größten Modemarken: Sie verkaufen jährlich digitale Skins in Milliardenhöhe.
Jo Dietrich, Mitgründer Zeam: Da kommen NFTs ins Spiel. Seit einem Jahr investieren wir selber in NFTs, die ihren Platz im Metaverse haben werden. In Zukunft werden die wertvollsten Besitztümer von Jugendlichen digital sein.
Ist das Metaverse dann ein weiterer Marktplatz oder wird es dort – jetzt kommt ein Modewort – einen Purpose geben?
Yaël Meier: Schon heute gibt es unglaublich viele Projekte im Metaverse, die das Ziel haben, die Welt zum Besseren zu verändern. Auf der anderen Seite ist, besonders im Kontext von Marketing, vieles extrem kommerziell motiviert. Eigentlich ziemlich ähnlich wie in der echten Welt.
Wir konnten sehen, was Social Media mit uns gemacht hat. Es hieß, dass die Welt offener und demokratischer wird. Tatsächlich ist das Gegenteil passiert.
Yael Meier: Bei Social Media ist eigentlich beides passiert. Es hat demokratisiert, indem es vielen Reichweite gegeben hat. Unsere Generation ist mit dem lautesten Sprachrohr aufgewachsen, das es je gegeben hat. Gleichzeitig wird über soziale Medien gezielt polarisiert und manipuliert. Auch im Metaverse wird es beide Seiten geben. Ich sehe vor allem den rechtlichen Aspekt kritisch, der den technologischen Entwicklungen immer hinterherhängt. Wie lassen sich Übergriffe auf das digitale Ich verhindern?
Als Unternehmen helft ihr, den Generationen-Gap zu überbrücken, der dank Internet eklatanter als in den Generationen zuvor ist. Was genau ist die Idee hinter Zeam?
Jo Dietrich: 2019 war ich Anfang und Yaël noch nicht mal 20. Damals sind uns viele Produkte und Kampagnen ins Auge gestochen, die offensichtlich an uns gerichtet waren, aber total am Ziel vorbeischossen. Als wir Konzerne untersucht haben, wurde deutlich, dass in den Teams, die Produkte und Kampagnen für 14- bis 25-Jährige entwickeln, niemand aus der Zielgruppe vertreten ist. Da wurde uns sofort klar: Diese Lücke müssen wir schließen! Heute sind wir 24 Mitarbeitende zwischen 16 und 26 Jahren und arbeiten mit den größten Unternehmen in Deutschland und der Schweiz zusammen.
Was macht der oder die 16-Jährige bei euch?
Yael Meier: Timon ist unser Content Creator. Seit seinem zwölften Lebensjahr führt er einen Youtube-Kanal und ist ein absoluter Social-Media-Profi. Auch für uns macht er einen Youtube-Kanal, Instagram und vor allem Tiktok. Über diese Kanäle geben wir Einblick in unsere Arbeit und kriegen mehr Bewerbungen, als wir zählen können. Bald wird es in jedem Unternehmen ein völlig normaler Job sein!
Früher hat man zu Jungen in der Berufswelt noch gesagt, dass sie noch viel lernen müssen. Wächst also die Erkenntnis, dass die Unternehmen auch von den Jungen viel lernen können?
Yaël Meier: Ja, unbedingt. Vor 20 Jahren haben Junge das Internet für sich entdeckt und niemand hat es ernst genommen. Das kam Unternehmen teuer zu stehen. Das gleiche ist mit sozialen Medien passiert. Heute schaut man uns schon viel genauer auf die Finger, denn unser Spielzeug könnte das nächste große Ding sein. Darum auch das ganze Interesse am Metaverse – man hat aus seinen Fehlern gelernt.
Jo Dietrich: Ein besonders spannendes Projekt erarbeiten wir da gerade mit Jelmoli, dem ältesten Luxusmodehaus der Schweiz, das als erstes Schweizer Warenhaus auch im Metaverse Kundinnen und Kunden begrüßen wird. In Kooperation mit der Schweizerischen Textilfachschule STF werden ausgewählte Kleidungsstücke produziert und bei Jelmoli auf einer Fläche im Warenhaus verkauft. Parallel dazu präsentieren wir diese Teile digitalisiert in einem dreidimensionalen Showroom, als NFT, wobei man entscheiden kann, ob man den Raum mit VR Brille begeht. Die physische wie digitale Präsentation startet am 8. Juni und wird für einen Monat bei Jelmoli im Warenhaus und online erlebbar sein.
Yaël Meier: Bei dieser Presentation geht es nicht primär um die bestmögliche VR Experience, sondern darum, welche Rolle Retail im Metaverse spielen könnte und wie mit digitaler Mode Überproduktion vermieden werden kann. Wir wollten testen, was virtuell möglich ist, und das so einfach wie möglich: als Use Case für ein stationäres Warenhaus, das seine Ware auch digital anbietet. Kauft jemand ein NFT, für das er dann ein physisches Kleidungsstück bekommt? Wie funktioniert die Abwicklung, wird tatsächlich mit der Kryptowährung Ether bezahlt? Diese Fragen wird der Use Case beantworten.
Mit wem habt ihr das aufgesetzt?
Joe Dietrich: Das haben wir selbst gemacht, uns gehören mehrere virtuelle Räume, die wir selbst mit dreidimensionalen NFTs einrichten können.
Cool, dass ihr das so niederschwellig denkt. Vieles beim Thema Metaverse ist ja noch völliges Neuland.
Jo Dietrich: Ich glaube, Metaverse ist letztendlich Gaming plus Social Media. Kulturell betrachtet ist das Metaverse ein Ort, in dem digitale Produkte so echt sind wie physische. Mein Aha-Moment war ein Tiktok-Video von RTFKT, in dem eine digitale Jacke dank AR-Filter getragen werden konnte. Ich fand das damals crazy! Der zweite Aha-Moment war das Konzert von Travis Scott in Fortnite 2020, bei dem die Nike-Sneaker von Travis Scott 12 Millionen Konzertbesuchern übergroß präsentiert wurden. Ein genialeres Productplacement gibt es nicht!
Meine Sorge ist, dass das Metaverse letztendlich ein Platz für Vulgärkapitalismus sein könnte. – das sage ich als überzeugter Marktwirtschaftler –, bei dem es keine intellektuelle Ebene gibt, sondern es nur um den potenziellen Marketshare geht.
Yaël Meier: Ich würde es nicht so negativ sehen. Bei der Entstehung des Internets haben die Jungen das Spielen angefangen und die Älteren gesagt: Das brauchen wir doch nicht. Auch Jobs sucht man in der Zeitung, wer will seinen Job online finden? Dann kam Social Media und wieder haben alle verschlafen: Warum einen Freund online haben, warum Videos posten, wenn man sich doch im echten Leben sehen kann? Aber je länger du wartest, desto teurer wird es, durchzustarten. Und im Metaverse willst du nicht nochmal zu spät sein.
Völlig richtig, das ist auch mein Appell: Jeder, der in irgendeiner Weise etwas mit der Customer Journey zu tun hat und sein Geld mit Konsumgütern verdient, muss über eine Metaverse-Strategie zumindest nachdenken.
Jo Dietrich: Genau, Metaverse ist einfach ausprobieren und testen. Auch Modebrands müssen ausprobieren, auf möglichst einfache Art und Weise. Denn einen Care-Wert gibt es immer. Schaut dann keiner bei deiner Aktion zu, lernst du trotzdem. Und früher oder später wirst du auf etwas Spannendes stoßen.