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Viky Rader | „Wir tragen Verantwortung“

Viky Rader | „Wir tragen Verantwortung“

Viky Rader aka Vikyandthekid gehört zu den Top-Talents auf Instagram. Im Gespräch mit Stephan Huber spricht sie über Emotion, Verantwortung und Kreativität – sowie über den Roll-out ihrer Marke Viky Rader Studio. Und warum dem stationären Handel dabei eine Schlüsselrolle zukommt.

Interview: Stephan Huber. Fotos: Viky Rader Studio, vikyandthekid

Es gibt nach wie vor viele Menschen, auch in der Modebranche, für die nur schwer greifbar ist, was jemand wie Viky Rader eigentlich macht – und die vor allem nicht anerkennen, dass es pures Unternehmertum ist. Wie beschreibst du dich selbst?

Viky Rader: Unternehmerin, das trifft es. Die Arbeit eines Content Creators nicht anzuerkennen, ist ein sehr mitteleuropäisches Problem, in anderen Ländern ist man da weiter. Ich bin erst vor zwölf Jahren nach Deutschland gezogen, gebürtig bin ich aus der Ukraine.

Ich habe als internationales Model, Freelance als Stylistin und als Personal Stylist gearbeitet. Eine Grundlage war aber wichtig, also habe ich Marketing studiert. Was mich aber nicht so sehr begeistert hat wie Mode und Haute Couture, diese Welt, diese tollen Kreationen, die Werte und Emotionen, die hier vermittelt werden. Das hat mich schon immer fasziniert. Ich habe immer für mich Skizzen gemacht, entworfen. Mit 25 Jahren bin ich dann auf die St. Martins School in London und schon damals war mir klar: Wer in Zukunft Erfolg haben will, muss seine Kunden auf den Displays ihrer Handys erreichen.

Darüber hast du damals schon nachgedacht?

Ja, verrückt, nicht – in Deutschland war man längst nicht so weit. 2011 habe ich dann zum ersten Mal ein eigenes Modelabel gegründet, zehn Teile, alles Leder. Die Agentur hat das super verkauft, aber ich war zu jung und habe zu schnell zu viel gewollt. Statt klein zu bleiben, habe ich plötzlich auf superexklusive Couture gesetzt. Das war in diesem Moment strategisch leider nicht gut genug durchdacht, ein Fehler, der mich aber viel gelehrt hat. Im Anschluss habe ich begonnen, mich mit Instagram zu beschäftigen. Ab 2014 hat man langsam absehen können, dass man daraus ein Businessmodel entwickeln könnte. Wie viele andere auch bin ich also erst mal mit einem klassischen Blog, Instagram und ein bisschen YouTube gestartet. 2015, als mein Sohn ein Jahr war, habe ich mir gesagt: Das kann ich auch ein bisschen größer und professioneller. Vikyandthekid, der Name, war purer Zufall.

Wann hast du selbst gewusst, dass das etwas Großes werden könnte?

Von Monat zu Monat habe ich mich stärker involviert, es hat mich wirklich reingezogen. Und irgendwann kam dieser Klick, dieses: Jetzt will ich es wissen. Mir war klar, dass ich mich auf internationales Parkett begeben muss, dass ich raus muss, und dass ich alles super professionell haben will – denn alle Dinge, die man zu locker nimmt, werden niemals groß. Auch nicht im kreativen Umfeld. Ich denke immer groß. Aber ich bin kreativ, heißt auch manchmal chaotisch. Ich habe tausend Ideen und jemand muss diese ein bisschen strukturieren. Gut, dass ich so ein tolles Team habe.

Weil die allerwenigsten – auch heute noch – verstanden haben, dass es eine völlig neue Art oder Ära der Kommunikation ist.

Ja, und es hat gedauert, bis man den Erfolg sehen konnte. Ich habe drei Jahre lang unglaublich viel Zeit und Energie investiert, habe ja auch noch eine andere Firma geführt, Glamometer. Mein Mann hat immer gesagt: Hoffentlich zahlt es sich irgendwann einmal aus. Aber das tut es heute: All mein Investment in Networking, die Präsenz auf den Fashion Weeks. Mir war immer wichtig, dass ich professionell liefere und immer noch eins draufsetze.

Bringt die Reichweite, die du heute hast, auch Verantwortung?

Definitiv! Auch wenn es in der deutschen Sprache immer gleich so hart klingt, Influencer sind Beeinflusser. Es ist ja nicht so, dass wir nur irgendeinen Saft in die Kamera halten und viel Geld verdienen. Dahinter steckt ein ganzes Team, das sich Strategie, Shootings, Kampagnen, Budgets, Hashtags und einen genauen Launchplan überlegt. Es ist enorm wichtig, aber natürlich schwierig zu erklären für alle, die nur das fertige Bild sehen. Du bist heute die Marke, die du immer mit dir trägst. Ich passe sehr gut auf, was ich zeige, wie ich beeinflusse und auch bei mir gibt es Dinge, die ich nicht zeige.

Ist es wegen der engen Beziehung zu deinen Followern so wichtig, wen du als Kooperationspartner aussuchst?

Ja, Glaubwürdigkeit ist die wichtigste Währung. Es gibt grundsätzliche Spielregeln: Wir zeigen die neuesten Trends, da muss ich immer up to date sein. Und wir wählen Marken aus, die zu mir passen – eine authentische Integration ist mir sehr wichtig. Dabei achten wir natürlich darauf, dem Markenkern und den Werten gerecht zu werden und diese emotional im Storytelling zu transportieren.

Authentisch sein, hieß für dich im März auch, dich erstmals auch politisch zu äußern, über deine Wurzeln zu sprechen und deine Reichweite für Hilfsprojekte zu nutzen.

Es war eine sehr schwierige Entscheidung für mich, mich so zu öffnen, aber ich glaube, es hat mir als Person im öffentlichen Licht eine ganz neue Bedeutung verliehen. Ich konnte meine Bekanntheit für die Ukraine-Hilfe nutzen. Gerade weil die Mode auch oberflächlich sein kann, war es immer schwer einzuschätzen: Wer ist der Mensch Viky wirklich – jetzt weiß man definitiv mehr über mich. Der Krieg bewegt mich so sehr, dass ich nicht stillhalten und nur zuschauen kann. Daher haben wir blitzschnell Hilfe organisiert, Charity-Projekte auf die Beine gestellt und die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in München umgesetzt. Ich habe auch meine eigene Foundation VR-together gegründet. Es ist eine wirkliche Herzensangelegenheit für mich, zu helfen.

Ist es wichtig, auch Emotion zu zeigen?

Ich treffe viele Entscheidungen aus dem Bauch– zu Beginn der Corona-Pandemie war mir schnell klar, dass ich nicht mehr so viele Logos tragen möchte, dass es um einen anderen, zeitloseren Stil geht, nicht mehr so viel Show-off. Die Mode hatte sich davor auch wirklich überhitzt, es war alles sehr crazy, laut und bunt und hatte wenig damit zu tun, was Frauen wirklich tragen wollen. Diese instinktiven Entscheidungen und klar, auch mal Emotionen zeigen, sind wichtig. Denn meine Follower identifizieren sich ja mit mir als Person und haben ein Stück an meinem Leben teil.

Einer Frage, der du dich ja heute nicht mehr nur als Botschafterin oder Co-Designerin für andere Marken näherst, sondern auch wieder mit deinem eigenen Label: Viky Rader Studio. Mit dem, was du in den letzten Jahren aufgebaut hast, hast du ein perfektes Vehikel, es auf moderne Art und Weise im Markt zu platzieren.

Nach jeder Krise muss man wieder aufstehen und etwas aufbauen. Klar, die Zeit in den gemütlichen Hoodies und Sweaties war schön, ich habe das genossen, es war ein guter Kontrast zu dem verrückten Tempo und den vielen Reisen davor. Wir waren ja nur unterwegs, Events hier, Fashion Week da – und ich bin so schlecht im Neinsagen gewesen. Aber während der Pandemie haben dann viele Frauen das Gefühl verloren, was es heißt, schön zu sein, sich herzurichten, Make-up aufzutragen. Dann habe ich lange überlegt, bin in meine Garderobe gegangen und plötzlich wurde mir ganz klar: Ich habe Hunderte von Blazern und ich liebe sie. Ich liebe Anzüge, aber keine Marke ist wirklich spezialisiert darauf. Da war sie wieder, meine Liebe zum Risiko. Als ich noch mitten in der Pandemie gesagt habe: Wir starten Viky Rader Studio mit Blazern und Hosenanzügen, hat man mich für verrückt erklärt. Aber ich war mir sicher, der Glitzer und Glamour würde in die Mode zurückkommen und entgegen aller Widrigkeiten – der Launch war ja noch inmitten der Zeit der Corona-Maßnahmen und ich hatte gerade meine Tochter geboren – haben wir es geschafft. Wir haben uns minutiös überlegt, was wir kommunizieren wollen, uns war wichtig, die Idee dahinter zu erklären, wir haben in Portugal gefilmt, die Menschen gezeigt, die Viky Rader Studio fertigen. Wir haben erklärt, dass alles limitiert ist, dass wir mit Deadstock Garments arbeiten, mit Vintage-Stoffen, dass wir auf den Wasserverbrauch und die Transportwege achten … Ich wollte aber auf gar keinen Fall das Wort Nachhaltigkeit verwenden, weil ich einfach finde, es geht um mehr, es geht darum, wie wir künftig unsere Wirtschaft aufbauen wollen.

Da hat Corona ein großes Umdenken gebracht – musste es auch, denn die Zustände, die wir vorher hatten, waren nicht mehr tragbar.

Auch im übertragenen Sinne, ja, die Mode hat mich oft überfordert, es war zu viel, es war zu crazy, es war too much love. Pre, Main, Resort und dann noch Drops dazwischen. Bei Viky Rader Studio haben wir ganz klar einen Fokus auf unseren Purpose. Wir machen keinen Sale, es sind zeitlose Stücke. Ich bin mein gesamtes Archiv durchgegangen, habe viele ikonische Styles aus den 1980ern und 1990ern neu interpretiert. Ich habe viel über diese Ära nachgedacht und auch wenn sie verrückt war, es gab nicht diesen Trash, den es heute gibt. Wir Content Creatoren und Marken sind in der Verantwortung, zu einer solchen Wertschätzung der Bekleidung zurückzukehren – denn die Konsumentinnen hören auf unsere Stimme. Ich weiß selbst nur zu genau, dass etwas, das ich trage, morgen im Handel nachgefragt wird. Also ist es wichtig, dass ich mir Gedanken mache, was ich präsentiere und zeige und jetzt sogar produziere.

Viky Rader Studio ist im Grunde ein Total Look.

Ja, aber gewisse Dinge will ich nicht machen, Röcke oder Kleider zum Beispiel, das ist nicht Meins. Wichtig sind Styles, die ich selbst liebe und trage. Daher waren mir erst mal Basic Pieces wie Mäntel, Blazer, Hosen, T-Shirts, aber auch mal blaue Socken wichtig.

Gibt es Saisons?

Nein, zwei Drops. Niemand geht mehr an seinen Kleiderschrank und sagt: Das ziehe ich jetzt an, weil es Frühling ist. Mir ist enorm wichtig, dass unsere Marke hält, was sie verspricht, deshalb produzieren wir in Europa.

Wird die Marke ausschließlich über deine eigenen Kanäle beworben?

Nein, wir planen das Marketing natürlich auf allen Kanälen. Online genauso wie in Kooperation mit Stores wie Lodenfrey am Dom, einem langjährigen Herzenspartner. Es ist mir wichtig, dass Viky Rader Studio auch nicht nur an mir gesehen wird. Wir haben fantastische Kampagnen kreiert und seeden die Teile auch unter meinen Influencer-Kolleginnen in aller Welt, auch in den USA oder Australien – von Anfang an ist der Approach ein globaler.

Es ist also kein online-only Business?

Mir war von Anfang an wichtig, dass wir exklusive Partner haben, echte Stores – denn auch ich bin, egal wie viel ich online bestelle, immer wieder von dem stationären Erlebnis begeistert. Es entspricht einfach unserer menschlichen Psychologie, es freut uns, begrüßt oder wiedererkannt zu werden, die Qualität der Stoffe zu spüren, anzuprobieren oder zu kombinieren.

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