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Arianna Alessi | „Ein Unternehmen wird heute an seinen Werten gemessen“

Arianna Alessi | „Ein Unternehmen wird heute an seinen Werten gemessen“

Sie ist eine Powerfrau par excellence: Arianna Alessi engagiert sich in mehreren Positionen für eine nachhaltigere Zukunft, unter anderem in der gemeinnützigen OTB Foundation der OTB Group und bei Red Circle Investments. Für sie und ihren Mann Renzo Rosso ist Gutes tun kein Hobby, sondern unverzichtbarer Teil des Geschäfts. In diesem Interview spricht die Managerin und Philanthropin mit Nicoletta Schaper und Stephan Huber über den Wertewandel, für den Unternehmen heute stehen sollten.

Text: Nicoletta Schaper. Fotos: OTB Foundation und Red Circle Investments

Heute geht es mehr denn je darum, als Marke oder Unternehmen mit der Zielgruppe auf Augenhöhe zu kommunizieren und authentisch zu sein. Wie setzt ihr das um?

Hinter allen Bereichen, in denen ich arbeite, steht die Vision von Renzo Rosso. Wir haben es hier mit einem Menschen zu tun, der durch und durch ehrlich und authentisch ist und dem es wichtig ist, auch ehrlich zu kommunizieren. Das spiegelt sich in allen Investitionen wider, die wir tätigen. Sie spiegeln die Werte wider, die Renzo wichtig sind.

Renzo hat mir einmal in einem Interview gesagt, dass es irgendwann an der Zeit ist, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Ist das der Grundgedanke hinter allen Investitionen, also auch Geschäftsideen zu unterstützen, die etwas verbessern können?

Renzo hat von Anfang an junge Talente unterstützt. Seine Investitionen in neue Unternehmen sind nicht neu und etwas zurückzugeben ist für ihn ganz normal. Mit jedem Projekt innerhalb der OTB Group und mit jeder Charity-Aktion wollen wir etwas für die Menschen verbessern. Für uns sind ein profitables Unternehmen und ein gemeinnütziges Unternehmen ein- und dasselbe, und die Mitarbeiter der OTB Foundation werden von der OTB Group finanziert. Die Stiftung ist wie eine Geschäftseinheit unseres Unternehmens, mit der Vision, eine bessere Zukunft zu schaffen. Es gibt keinen Unterschied zwischen Geschäft und Wohltätigkeit: Für Renzo ist es dasselbe.

Wenn man sich eure Investitionen ansieht, stellt man fest, dass sie interdisziplinär sind. Ihr investiert in Start-ups aus dem Lebensmittelsektor, der Landwirtschaft und dem Gesundheitswesen, denen gemeinsam ist, dass sie einen Zweck verfolgen und sehr zukunftsorientiert sind. Wie gehst du bei der Auswahl der Unternehmen vor?

Alles beginnt mit den Werten, die einfach stimmen müssen. Wir wählen Start-ups aus, die letzten Endes den Menschen helfen sollen, und zwar in allen möglichen Bereichen: ob es sich um chirurgische Methoden handelt, die den Körper möglichst wenig belasten, oder um das Gesundheitssystem in Italien, das durch die Pandemie stark überlastet ist. Mit Red Care Home Health Assistance setzen wir uns dafür ein, dass Menschen zu Hause behandelt werden können.

Die Modeindustrie ist bisher eine der umweltschädlichsten Branchen. Ist das ein weiterer Grund, warum ihr stark in Start-ups investiert, die an umweltfreundlichen Lösungen arbeiten, die ihrerseits zur Nachhaltigkeit eurer Modemarken beitragen?

Absolut. Ich weiß, dass die OTB Group mit vielen Projekten an der Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit und der sozialen Arbeitsbedingungen arbeitet, auch bei unseren Zulieferern. Im Januar 2020 hat Diesel sein Nachhaltigkeitsmanifest auf der Mailänder Modewoche vorgestellt und seine Topmanager zu einer Schulung an die Bocconi-Universität geschickt, um zu lernen, was Nachhaltigkeit wirklich bedeutet. Dies ist ein Teil des Nachhaltigkeitsprojekts, das OTB durchführt.

Was Red Circle, die private Investmentgesellschaft von Renzo, betrifft, so ist eines unserer letzten Investitionen in Planet Farms, die eine vertikale, nachhaltige Bewirtschaftung des Bodens ermöglicht. Das sind genau die Dinge, in die wir in Zukunft investieren müssen! Es besteht ein dringender Bedarf an Innovationen, um das Land ohne Chemikalien zu bewirtschaften.

In den letzten Jahren wurde allgemein in Start-ups investiert, die das Potenzial hatten, das nächste Unicorn zu sein. Dabei ging es nicht darum, wie verantwortungsvoll das Unternehmen für die Zukunft handelt. Sprechen wir von einer neuen Idee des ethischen Investments?

Tatsächlich haben wir mit Red Circle Investments in zwei italienische Unternehmen investiert, die später zu zwei echten Unicorns wurden: Yoox und Depop. Aber wir sind kein klassischer Private-Equity-Fonds, wir folgen einer ganz anderen Logik. Wir investieren langfristig in die Projekte und bleiben beteiligt, um gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten.

Wenn sich etwas tatsächlich zu einem Unicorn entwickelt – o. k. Aber die Motivation und der Kernwert sind völlig anders und sollten allgemein die treibende Kraft für alle zukünftigen Investitionen sein.

Übrigens waren wir mit der OTB Foundation auch die erste italienische Modeorganisation, die den Menschen in der Ukraine mit Spenden geholfen hat. Vier Tage nach Beginn des Krieges rief uns die UN-Flüchtlingshilfe an, um zu erfahren, wie wir die Flüchtlinge am besten unterstützen könnten. Nur kurz darauf folgten andere italienische Modemarken diesem Beispiel. Das ist es, was wir mit Authentizität meinen: Was immer man tut, sollte authentisch und transparent sein. Es ist besser, schnell zu handeln als lange zu überlegen.

Damit kommen wir zum Thema Female Empowerment, das dir auch ein besonderes Anliegen ist.

Das ist wirklich ein Thema, das mir am Herzen liegt. Ich wuchs als Tochter eines Geschäftsmannes auf, der vier Brüder und eine Schwester hatte. Mein Großvater war ein Patriarch und wollte keine Frauen in der Unternehmensleitung haben, mich eingeschlossen. So begann ich nach meinem Abschluss für die Handelsbank Interbanca zu arbeiten, und zwar in mehreren Filialen von Mailand bis London. Später gründete ich mein eigenes Beratungsunternehmen, das Familienunternehmen berät. Heute bin ich meiner Familie dankbar, dass ihre Entscheidung mich dahin gebracht hat, wo ich heute bin! Da ich bei Red Circle Investments Scouting und strategische Investitionen tätige, rufen mich heute meine Cousins an, wenn sie Rat brauchen. Frauen sind Multitasking-Talente, sie können sich und andere gut organisieren und auch einfühlsam handeln. Diese Eigenschaften kommen jedem Unternehmen zugute. In diesem Jahr starten wir ein Projekt mit der Bocconi-Universität, um Frauen MBA-Stipendien zu gewähren, damit sie hohe Positionen in der öffentlichen Verwaltung und in großen Unternehmen besetzen können. Eine moderne Frau sollte in der Lage sein, zu arbeiten und ihr Kind in der Nähe betreuen zu lassen, damit sie es auch in der Mittagspause besuchen kann. Das ist es, was ich unter intelligentem Arbeiten verstehe.

Geht es darum, ein weibliches Umfeld in einer männerdominierten Arbeitswelt zu schaffen?

Für mich gehören beide gleichberechtigt zusammen. Wir wollen Männern und Frauen die gleichen Chancen geben, auch bei der Bewerbung: Wir wollen nicht die Nerds, die in ihrem Fach die Besten der Welt sind, sondern die, die wirklich etwas bewegen wollen, und das sind oft die Frauen. Aus diesem Grund haben wir im Rahmen unserer Bocconi-Stipendien auch Mentoring-Programme eingeführt. Frauen stellen den mehrheitlichen Anteil der Beschäftigten in der Modebranche, sind aber in Führungspositionen immer noch rar. Die OTB Group hat einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Frauen im mittleren und oberen Management. Darauf sind wir sehr stolz.

Was können wir in naher Zukunft von der Person Arianna Alessi erwarten?

Ich möchte bei allem, was ich anpacke, etwas bewirken. Wir werden weiterhin in die Zukunft investieren, und zwar in so vielen Bereichen. Ich glaube, dass in Zukunft auch diejenigen Unternehmen erfolgreich sein werden, die verantwortungsvoll handeln und sich bemühen, einen positiven Einfluss auf die Welt zu haben. Das ist unsere Motivation, denn es gibt keinen Plan B für unsere Welt.

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