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„Überkonsum ist das Symptom einer gesellschaftlichen Krankheit“

Janine Dudenhöffer ist Sustainable Stylist.
Sie hilft ihren Kundinnen und Kunden im eigenen Kleiderschrank zu shoppen und so auf nachhaltige Art und Weise, neue Styles zu kreieren. Mit style in progress hat sie über die Zukunft der Nachhaltigkeit im Handel gesprochen.
Text: Saskia Langejürgen. Fotos: Stefan Bösl, Lina Grün
Du hast dich als Modejournalistin schon lange mit Fashion beschäftigt. Wann hast du gemerkt, dass du aus dem Konsumkarussell aussteigen willst?
Als ich zum zweiten Mal Mama wurde. Ich habe mich zu der Zeit viel mit der Klimakrise beschäftigt und mehr und mehr den Sinn meiner Tätigkeit hinterfragt. Daraufhin habe ich ein Jahr lang keine einzigen Modeartikel mehr konsumiert. In diesem Jahr habe ich mich sehr intensiv selbst reflektiert und mich gefragt: Was macht mich glücklich und brauche ich das wirklich?
Denkst du, dass deine Message für die Modebranche als solche eine gute oder schlechte Nachricht ist? Ist das nicht eine Kriegserklärung an den Handel?
Keineswegs. Ich denke, dass mein Ansatz funktionieren kann, indem man auf Langlebigkeit, Qualität, Reparatur und Circular Fashion setzt. Ich bin nicht gegen Konsum im Allgemeinen, sondern gegen die Art und Weise, wie wir konsumieren. Nämlich mehr, als wir brauchen. Der moderne Überkonsum ist das Symptom einer gesellschaftlichen Krankheit. Wir versuchen, uns Glücklichsein zu erkaufen, aber das funktioniert weder für uns – noch ist das stemmbar für unsere Erde.
Was könntest du tun, um dem Handel den Konsum nur nach Bedarf näher zu bringen? Wie könnte ein Händler z. B. mit dir einen nachhaltigen Ansatz umsetzen?
Wusstet ihr, dass Patagonia, seit ihrer Kampagne „Don’t buy this jacket“ beliebter wurden und mehr verkauften als je zuvor? Es geht darum, das Momentum des Andersmachens für sich zu nutzen. Wer heute gezielt Dinge anders umsetzt, der gewinnt Vertrauen. Ein Beispiel: Mit der Marke OSKA habe ich in diesem Jahr eine Stylingtour auf die Beine gestellt, um in der jungen Zielgruppe die Brand-Awareness zu stärken. Es ist wichtig, dass wir das Bewusstsein für die nachhaltige Bewegung schaffen und Unternehmen unterstützen, die den nachhaltigen Ansatz schon leben. Das kann ich unterstützen!
Hast du Tipps für Marken und Händler, die sich in eine nachhaltige Richtung entwickeln wollen, ohne den Großteil ihres Umsatzes einzubüßen? Worauf sollten sie sich fokussieren?
Zum einen auf neue Recyclingtechniken, Redesign und Upcycling, Reparaturen und Secondhand, um abseits vom Verkauf lukrative Services anzubieten. Zum anderen auf Qualität, nachhaltige Herstellung und aktive Transparenz – hierher kommen unsere Materialien, so werden sie verarbeitet – sowie Aufklärung über Materialkunde und Pflege z. B. direkt auf Etiketten: „So pflegst du mich.“ bzw. „Mit diesem Kleidungsstück empowerst du nicht nur dich, sondern auch die Menschen, die es genäht haben“. So bauen Marken eine Bindung zu ihren Kundinnen und Kunden auf, lernen sie kennen und bieten ihnen Mehrwert. Das sind dann Unternehmen, bei denen die Kundschaft gerne immer wieder einkauft. Die Zusammenarbeit mit Magazinen und (Mikro-)Influencern, die für Nachhaltigkeit stehen, stellen eine gute Möglichkeit dar, um Brand-Awareness und Reichweite zu schaffen. Wenn Unternehmen, Vorbilder für Nachhaltigkeit werden und es sich komisch anfühlt, Fast Fashion zu kaufen, sind wir auf dem richtigen Weg!