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WRÅD Living | „Lineare Produktionsketten führen zu Umweltverschmutzung und Ausbeutung“

WRÅD Living | „Lineare Produktionsketten führen zu Umweltverschmutzung und Ausbeutung“

Matteo Ward

Matteo Ward, Silvia Giovanardi und Victor Santiago kündigen 2015 ihre gut bezahlten Jobs in der Fashionindustrie und starten eine Bewegung für umweltfreundliches Denken. 2017 bekommt das Ganze Namen und Form: WRÅD Living. WRÅD steht für RAW (Roh) und RAD (lässig, cool) und ist eine Aufklärungswerkstatt über Nachhaltigkeit in der Modebranche für Schulen, Universitäten, Firmen und Institutionen. Im Interview mit style in progress formuliert Matteo Ward Gedanken zur Zukunft der italienischen Modeindustrie.

Interview: Janaina Engelmann-Brothánek. Fotos WRÅD Living

„Challenging the status quo“ ist euer Motto. Wie sehr hat diese Krise beigetragen, die Revolution, für die ihr seit Jahren kämpft, auf das nächste Level zu bringen?

Die Corona-Krise hat mich als Individuum, aber auch uns als WRÅD-Team in unseren Werten wie Nachhaltigkeit und Fairness nur bestärkt. Klar sind diese Themen auch in der Fashionindustrie noch stärker geworden. Man könnte sagen, es sind jetzt Alltagsthemen. Aber wir wissen beide, dass die Probleme der Textilbranche nicht Covid-19 zuzuschreiben sind – Covid-19 hat nur alte Probleme ans Licht geholt. lineare Produktionsketten führen zu Umweltverschmutzung und Ausbeutung, das wussten wir schon davor.

Könnte Reshoring und Made in Italy die richtige Antwort sein?

Als erstes müssten wir Made in Italy neu definieren. Ich meine das im gesetzgeberischen Sinne. Was ist heute Made in Italy? Wenn Made in Italy ein strenges Siegel wie in der Lebensmittelindustrie wäre, dann könnte ich sagen, ob Made in Italy die Lösung sein könnte, aber bisher ist mir der Begriff zu undefiniert. Was ein komplettes Reshoring angeht, wäre ich auch vorsichtig. Nach Jahren der Ausbeutung in anderen Ländern jetzt alles wieder in Italien herstellen und den Menschen in den betroffenen Ländern alles entziehen? Mich interessiert eher, wie und wer mein T-Shirt herstellt, nicht wo.

Es braucht einen Mittelweg und ein globales Umdenken. Die Konsumenten müssen den Value-Action Gap füllen (Anmerk. der Red. Diskrepanz zwischen Einstellung und Handeln des Konsumenten), die Finanzwelt muss neben dem Profit auch an das Humankapital und die Umwelt denken und die politische Klasse muss Bewegungen wie unsere unterstützen.

Was ist dann die Lösung für ein gesundes Modesystem, das gleichzeitig auch konkurrenzfähig sein kann?

Es geht darum, speziell in Italien, zurück zu blicken. Nicht zu den 1990er- oder 2000er-Jahren, als es nur um Profite ging, sondern zu den Zeiten unserer Großeltern. Sie wussten, was Handwerk ist, sie haben aus Nichts Wunderbares erschaffen. Dieses Italien existiert immer noch und besteht aus klein- und mittelständischen Unternehmen, aus Kunsthandwerkern, Designern und Vordenkern, wo heute eine junge Generation am Werk ist, die auch digitale Instrumente der Gegenwart beherrscht. Wir müssen diesen Generationssprung zulassen, diesen Leuten Platz machen und sie werden die Chance ergreifen, aus Italien ein humanes, gesundes und leistungsfähiges Land zu machen.

Was machst du als nächstes?

Ich überlege ernsthaft in die Politik einzusteigen. Unsere Revolution, wie jede andere auch, hat an der Basis angefangen, muss aber jetzt andere Dimensionen erreichen. Wir sind die letzte Generation, die wirklich noch was ändern kann. Wir sehen uns 2024 zu den Wahlen. (lacht)

Ich wähle dich!
Wrad Living

Silvia Giovanardi und Matteo Ward mit einem Einwohner von Monterosso Calabro. Das Städtchen in Süditalien benutzt seit dem alten Rom Graphitpulver für die Färbung von Textilien. Hier entstand die Idee von WRÅD Living zum GRAPHI-TEE®: das erste T-Shirt weltweit, das bis zu 20 Gramm Graphit recycelt, das sonst im Müll und dementsprechend später in unseren Böden landen würde.
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