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„Frauen können gut aussehen und gleichzeitig Künstlerinnen sein.“ | Beatrix Ost

„Frauen können gut aussehen und gleichzeitig Künstlerinnen sein.“ | Beatrix Ost

Seit sie Mitte der 1970er Jahre nach New York zog, hat Beatrix Ost ihre Gemälde und Skulpturen in Deutschland und den USA ausgestellt, aber sie betrachtet sich als nicht energisch genug für die geschäftliche Seite der Kunst. Mehr als 50.000 Instagram-Fans sehen die 1940 in Stuttgart geborene Ost selbst als Ikone, mit ihrem blauen oder violetten Haar und ihrer Vorliebe für einen Modestil aus der Zeit von Edward VIII, den sie mit Designern wie Azzedine Alaia oder Yunya Watanabe sowie eigenen Kreationen kombiniert. Das Modelabel der Olsen-Zwillinge, The Row, erklärte Ost 2016 zur Muse. Grenzüberschreitungen zwischen Kunst und Mode haben der Künstlerin allerdings auch Diskriminierung eingebrockt.

Interview: Petrina Engelke.

Foto: Stacey Evans

Die Olson-Zwillinge nennen die Wahl-New-Yorkerin Beatrix Ost eine Inspiration. Die Künstlerin hat unter anderem bei Oskar Kokoschka gelernt und kam Mitte der 1970er Jahre nach New York.

Frau Ost, Sie hatten einen berühmten Lehrer: Oskar Kokoschka. Wie kam’s?

Er hatte eine Schule in Salzburg. Dort ließ er uns nur Aquarellmalen, und wir mussten Akt skizzieren, währen das Modell sich langsam bewegte. Als ich die Bilder nach München mitnahm, kaufte ein reicher Mann, den ich kannte, fast alles. Das ging damals weg wie warme Semmeln.

Wie haben Sie neue Beziehungen geknüpft, als Sie nach New York kamen?

Das war eine drastische Veränderung. Ich wurde zur surrealistischen Malerin und konnte keine Galerie finden, obwohl einige von Frauen wie Mary Boone geführt wurden. Über Umwege reichte man dort Portfolio und Lebenslauf ein und wurde dann zum Vorstellungsgespräch gerufen. Schon bei meiner Ankunft in der Galerie konnte ich sehen, dass sie dachte: Die kommt hier nicht rein. Eine Clique beherrschte die Kunstszene. Die kamen alle von Yale und trugen eine gewisse Uniform. Ich war zu elegant für die Kunstwelt.

Wie musste eine Künstlerin denn aussehen?

Sehr leger, Jeans, kein Make-Up, aber mit dem richtigen Jargon. Das war ich einfach nicht. Wenn ich in den 1970ern, 1980ern sagte, ich sei Künstlerin, wurde ich oft nicht ernstgenommen: „Nein, du bist so fesch, du machst doch sicher Mode?“ Heute ist das ganz anders. Man kann ungeheuer elegant und schick sein, seinen Erfolg zeigen, man selbst sein. Und Frauen können gut aussehen und gleichzeitig Künstlerinnen sein.

Zurück zum glanzlosen Teil der Kunst: Letzten Endes muss sie sich verkaufen.

Ich hatte sehr früh bereits zwei Kinder und war geschieden. Um als Malerin frei zu sein, verdiente ich dazu. Ich arbeitete in Deutschland oft als Model bei Mode-Shootings und verdiente damit gutes Geld.

Und heute machen Sie neben Ihrer Kunst auch Schmuckdesign für Article 22.

Ja. Die kleinen Schlangen kamen diesen Herbst heraus und waren über Weihnachten ein Renner. Immer hat man mir gesagt: Beatrix, mach Mode, da wärst du erfolgreich. Aber ich hatte kapiert, dass Mode aus 95 Prozent Geschäft und 5 Prozent Kreativität besteht. In der Modebranche braucht man Unternehmergeist, und das interessierte mich nicht. Aber wenn ich sehe, wie Modehäuser Künstler einladen und sie Künstler sein lassen: Das würde mir gefallen.

Ist so was in der Art nicht mit den Olsons passiert?

Wir liefen uns in einer Art Szene in New York über den Weg und hatten eine Fotosession. Aber sie kamen nicht zu mir und sagten: Was hältst du hiervon, oder was sollten wir designen? Sie haben mich nur als interessanten Menschen und als Inspiration zitiert.

Hatte das für Sie irgendwelche Folgen?

Ich habe jetzt viele Instagram-Fans, und da mache ich gar nicht viel, ich poste nur ein paar Fotos.

Sie waren auch eins der Sujets in dem Buch „The Art of Dressing“. Ist das Kleiden für Sie eine Kunstform?

Ich finde, Kleidung sollte Selbstdarstellung sein. Deshalb ist es die Kunst des Ich. Wir alle sind außerordentliche Kreaturen, und unsere Körper sind ein Geschenk. Wer das begreift und sich selbst erkennt, kann um diesen Körper herum etwas erschaffen. Und das einzige, das wir beeinflussen können, sind wir selbst und unser eigenes Handeln. Sich morgens Mühe mit dem Anziehen zu geben, dient meiner Ansicht nach dem Wohlbefinden. Bindest du da einen Gürtel drum oder steckst du Blumen ans Revers oder trägst du das mit etwas völlig Konträrem? Das bist du, das ist dein künstlerischer Moment.

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