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Premium Group | „Alles ist neu“

Premium Group | „Alles ist neu“

„Das ist der Kick-Off zu einer neuen Ära von organisierten Branchentreffen, die mal Messe hießen“, sind Anita Tillmann und Jörg Arntz überzeugt. Denn für den Neustart in Berlin ändert die Premium Group nicht nur die Location, sie öffnet sich mit The Ground auch Konsument:innen. Stephan Huber hat mit den beiden über alle wichtigen Tranformationen der Messe gesprochen. 
Worauf freut ihr euch bei eurem Neustart in Berlin am meisten? 

Jörg Arntz, Managing Director Premium Group: Ich freue mich am meisten, dass wieder alle zusammenkommen, dass wir uns leuchtenden Augen entgegentreten, uns ohne Masken in den Hallen und außerhalb sehen und dass wir einfach eine super Zeit zusammen haben. Das fängt beim Geschäftlichen an, geht bei den Kollektionen weiter und endet abends hoffentlich zusammen an irgendeiner Bar oder bei irgendeinem Essen. Das haben wir zweieinhalb Jahre nur im Kleinen gehabt, das konnte auch kein anderes Event in der Zwischenzeit leisten und auch kein anderes Event vor unseren wird das in dieser Stärke leisten können. Und ganz ehrlich, ich freu mich drauf.  

Stephan Huber: Anita, möchtest Du etwas ergänzen? 

Anita Tillmann, Managing Partner Premium Group: Dem ist nur noch wenig hinzuzufügen. Der Spruch ist ein bisschen abgedroschen, aber er stimmt so sehr: its a people’s business. Im Januar 2023 feiern wir 20 Jahre Premium. Wir haben so viele Messen gemacht, so viele Partys gefeiert, so viele Dinners veranstaltet in den 20 Jahren. Die Menschen, viele unserer Kund:innen, Retailer:innen, Agent:innen, Presseleute, das ganze Ökosystem ist mir in dieser Zeit wirklich ans Herz gewachsen.  

Stephan Huber: Eure erste Aussteller:innen-Liste ist ein starkes Statement und Signal an die Branche. Gleichzeitig sind wir uns alle bewusst, es künftig nicht mehr darum gehen kann, dass Marken Quadratmeter mieten, ihre Klamotten auf Stangen hängen und dann die Verkäufer:innen warten, dass die Einkäufer:innen kommen. Wie würdet ihr die Transformation Premium Group und eures gesamten Veranstaltungsportfolios beschreiben? Was erwartet uns nach dieser langen Pause? 

Anita Tillmann: Alles ist neu, auch das Bekannte. Das macht es ja so aufregend und lässt unser Herz höher schlagen. Ich würde an dieser Stelle gerne Marco Götz von Drykorn zitieren, der gesagt hat, der Benchmark für diesen Neustart könne auf keinen Fall eine Messe oder die Erfahrungen aus Vor-Corona sein. Der neue Benchmark ist das positive Zusammenkommen der gesamten Branche und darauf freue ich mich. Wir haben alle einen Reset hinter uns. Die vergangenen beiden Jahre haben eine völlig neue Art zu arbeiten etabliert, eigentlich auch eine neue Art des Miteinanders. Es ist alles sehr viel digitaler geworden und gleichzeitig sehr viel physischer. Das ist kein Widerspruch. Ganz im Gegenteil. Der schon tausendmal tot geredete stationäre Handel wird unseres Erachtens einen totalen Boost bekommen, zumindest bei Händlerinnen und Händlern, die Themen wie Experience und Service ernst nehmen. 

Stephan Huber: Die Bock auf Zukunft haben, wie ich immer sage? 

Anita Tillmann: Oder die Bock auf Zukunft haben. Die an ihre Teams glauben, die Retail als Marke verstehen, die Handel als Willkommensflächen inszenieren. Auch wir entwickeln uns weiter: Wir inszenieren die neue Location, sind erstmalig am Messegelände in Berlin und feiern mit D2C Premiere. Wir sind fest davon überzeugt: Das ist der Kick-Off zu einer neuen Ära von organisierten Branchentreffen, die mal Messe hießen. 

Stephan Huber: Am meisten Klärungsbedarf gibt es wahrscheinlich zum neuen D2C Format The Ground. Was dürfen wir von einer „Celebration of Style and Culture“, so der Untertitel des Festivals, erwarten? 

Jörg Arntz: Vorweg: Es wird keine Vermischung von B2B, also unserer Formate für Fachbesucher:innen und D2C, also The Ground geben. Sehr wohl aber inhaltliche Synergien. Darum finden wir es wichtig, dass beide Veranstaltungen nebeneinander stattfinden. Der Kernpunkt ist, dass möglichst viele aus der Industrie, von Markenseite, Einkäufer:innen, Presse, Influencer:innen und natürlich auch Endkonsumenten:innen zusammen kommen, denn alle GEMEINSAM bilden und repräsentieren das Ökosystem unserer Branche. Dieses Ökosystem wollen wir in all seiner Vielfalt darstellen. Noch konsequenter und fokussierter, als wir das in der Vergangenheit schon gemacht haben. Es gibt heute viele Unternehmen, für die B2B Messen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr relevant sind; weil ihre Kollektionen einem anderen, neuen Rhythmus folgen oder weil das Thema Order nicht im Fokus steht. Für sie geht es vielmehr darum, wie sie sich als Marke zeigen, aktivieren, und ihre Geschichte erzählen können. Sie suchen ebenso den Pitch, den Wettbewerb mit anderen Brands. Diese Möglichkeit bieten wir auf all unseren Formaten. 

Warum macht diese Parallelität zu B2B Sinn? Weil wir unverändert auch unsere wichtigste Kundengruppe im Fokus haben. Die Fachbesucher:innen, also alle, die in und mit der Mode arbeiten. Die beobachten natürlich genauso, wie sich Marken dem Endkonsumenten gegenüber darstellen und wie sie ihre Communities aktivieren. The Ground ist also genauso ein Marktplatz der Ideen und Inspirationen für unsere B2B Besucher:innen.

Stephan Huber: Wer darf denn zu The Ground? Einfach random alle die Lust haben? 

Anita Tillmann: Es wird ein separates Ticketing für The Ground geben, allerdings mit einem eher symbolischen Preis, denn wir wollen unser Geld nicht mit Eintrittskarten verdienen. Im Professional Only Bereich, wo unsere Branche ihre Geschäfte abwickelt, haben diese Besucher:innen keinen Zutritt, das bleibt nach wie vor B2B only. Wir sprechen gezielt Menschen für The Ground an, arbeiten mit einer großen Influencer Agentur und wenden uns an das gesamte Ökosystem der Branche. Dafür haben wir bei unseren Konferenzen bereits Erfahrung sammeln können – auch eine FashionTech war nicht mehr ausschließlich für Fachpublikum konzipiert. Darüber hinaus wenden wir uns an Cultural Pioneers aus Berlin, das ist ein Heimspiel hier, weil Berlin wie keine andere Stadt, in Europa von GenZ und Cultural Pioneers geprägt ist.  

Stephan Huber: Könnte man The Ground also als eine völlig neue Form des Live Prototyping beschreiben? Als Format auf dem Innovationen gezielt und in Echtzeit an Konsument:innen für Konsument:innen getestet und auch sofort kommuniziert werden können? 

Anita Tillmann: Für und an Konsument:innen? Ja! Aber vor allen Dingen mit ihnen. Denn darin steckt meines Erachtens das größte Potenzial. Dass wir miteinander und voneinander lernen können. Das ist doch post-pandemic die neue Vision. Es geht nicht mehr prioritär darum, welche Waren verkauft werden oder wer den größten Stand gebucht hat. Auch schon in den letzten Ausgaben vor der Pandemie haben wir zunehmend darauf geachtet, dass wir Momente schaffen, in denen wir voneinander lernen können. Es ist wichtig zu verstehen, dass es heute keine Exklusivität mehr gibt. Jeder User, der ein Bild von sich in einer Marke auf Instagram, TikTok, SnapChat oder whatever hochlädt, ist Content Creator:in und Markenbotschafter:in einer Marke. Jeder einzelne, der postet, hat Macht und Einfluss auf meine Marke. Weil sie oder er eben die Story individuell weitererzählt. Aber wenn ich nicht mit ihnen zusammenkomme und gemeinsam mit ihnen lerne, wie diese Konsument:innen ticken und was sie wirklich berührt, dann kann ich als Unternehmen, egal ob Brand oder Retailer, keinen Purpose und keine zukunftsfähige Strategie entwickeln. Am Ende geht’s ums Bällebad, wenn ich das mal so sagen kann, ein Brand Pop-Up. Denn das ermöglicht allen Marktteilnehmer:innen, und dazu gehören heute eben ganz explizit auch die Consumer, auf Augenhöhe zusammenzukommen.  

Stephan Huber: Ist The Ground nicht auch ein ganz gezieltes Angebot an die jungen Menschen, die auch in dieser Branche arbeiten? Die bis heute extrem unterschätzte Ressource in dieser Branche?

Anita Tillmann: Da hast du völlig recht, Stephan. Das ist eine Initiative, die wir schon anfangen wollten, bevor uns Corona dazwischen kam. Wir haben damals intensiv mit Händlern wie Andreas Weitkamp oder Marc Ramelow gesprochen, beides Unternehmer, denen der Nachwuchs sehr am Herzen liegt. In unseren Gesprächen ging es immer darum, was wir kreieren können, das gleichzeitig auch ein Incentive für die Leute vor Ort ist. Die Konferenzformate waren ein erster Schritt, aber jetzt gehen wir stärker in einen Festival Charakter. Da geht es auch mal darum, am Gelände abzuhängen und abends auf eine Party zu gehen. Und neuen Akteur:innen in dieser Branche eine Bühne zu geben, denn in den letzten Jahren sind ganz neue, spannende Jobs in der Branche entstanden. Wer heute mit seinem Store eine Community ansprechen will – und nur darum geht es – braucht einen Community Manager, der Social Media affin ist. Diese Menschen wiederum gehören unbedingt mit auf die Messen oder eben die „organisierten Branchentreffen, die früher mal Messe hießen.“

Stephan Huber: Die Diskussion rund um Metaverse, NFT, etc. ist heute allgegenwärtig. Vieles was heute den Diskurs bestimmt, hat die FashionTech schon sehr früh angestoßen. Insofern erscheint mir dieses Format heute sogar noch berechtigter und wichtiger, als es ohnehin schon war. Wie wird die FashionTech integriert? 

Jörg Arntz: Die FashionTech wird am ersten Messetag stattfinden, am Donnerstag. Wir werden ähnlich zu den anderen Messe Formaten eine Aufteilung haben in B2B Formate und D2C. Wir werden eine gute Mischung finden von Themen, die relevant sind für das immer noch brandaktuelle Thema Digitalisierung der Branche. Aber natürlich auch für alle Trends und da gehört das Metaverse sicher dazu, auch wenn ich das jetzt nicht mehr als Trend sondern schlicht als Teil der neuen Realität bezeichnen würde.

Stephan Huber: Themen wie Metaverse zu integrieren, ist sicherlich herausfordernd – die einen sind tief drinnen im Thema, die anderen haben sich noch nicht mal damit beschäftigt.   

Anita Tillmann: Wenn ich morgens anfange zu telefonieren und abends aufhöre, bin ich manchmal wirklich geschafft. Nicht vom Arbeitspensum, sondern von der Unterschiedlichkeit der Gespräche. Ich stehe zwar für Messe, verkaufe den Marken aber eigentlich unsere kreativen Ideen, Emotionen und Kontakte. Die Fläche selbst ist nur die Währung für das gesamte Package, das wir kreieren. Die Unterschiedlichkeit und die Breite der Wahrnehmung in diesem Ausschnitt des Marktes, den wir bedienen, ist unglaublich groß. Da liegen Welten dazwischen. Und das versuchen wir unterm Strich zu einem Angebot zusammenzufassen inklusive der Netzwerke, Möglichkeiten, Matchmaking mit einem Call to Action –  just come and do it. Vernetzt Euch.

Stephan Huber: Wie entscheidet ihr, welche Marke auf welches Messeformat passt oder auf The Ground?

Anita Tillmann: Im Dialog mit den Brands. Brands, die beides machen, werden sich weiterhin groß und stark auf der Messe präsentieren, weil das einfach immer noch ein wichtiger Teil ihres Businesses ist. Aber sie werden im Rahmen von The Ground auch eine Aktivierung ihrer Marke machen, weil sie zeigen wollen, wie sie ihre Marke gegenüber den Endverbraucher:innen darstellen. Aber wir sprechen auch mit vielen Brands, die normalerweise gar kein Wholesale mehr machen. Da geht es eher um Brandpartnerships, Content und Areas, die sie auch inhaltlich begleiten. Am Ende verstehen wir uns als eine Pitch Plattform. Der eine pitcht eine Kollektion den Retailer:innen, der andere, eine Idee oder eine Philosophie seiner Marke den Endkonsument:innen.  

Stephan Huber: Wie konkret ist eigentlich die Unterstützung der Stadt Berlin denn diesmal wirklich?  

Jörg Arntz:  Früher schrieb man unter eine Matheklausur: Quod erat demonstrandum und in einem ähnlichen Status befinden wir uns – nur, dass der Beweis noch zu erbringen ist. Was uns begeistert, ist die Offenheit der handelnden Personen, sowohl von der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey als auch insbesondere von dem Senator für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Stephan Schwarz und Michael Biel, dem Staatssekretär für Wirtschaft. Sie sind für uns direkt erreichbar, verbindlich und offen und wir konnten in den Treffen eine neue Vertrauensbasis aufbauen. Gab es irgendwelche konkreten Versprechungen seitens des Senats, dafür, dass wir zurück nach Berlin gekommen sind? Nein. Gibt es die zum jetzigen Zeitpunkt heute? Nein. Sind wir trotzdem der Auffassung, dass das ein Partner ist, der eine neue Offenheit dem Thema gegenüber über die nächsten Jahre abbildet? Ganz klares Ja! Das ist wichtig und für uns wirklich motivierend. Dass wir künftig das Messegelände Berlin bespielen, das mehrheitlich dem Land Berlin gehört, bzw. wie unkompliziert das funktioniert hat, ist ein vielversprechendes Zeichen für eine Zusammenarbeit, von der wir uns viele Impulse für Berlin erwarten. The Ground ist das andere Zeichen, dass wir gemeinsame Ziele verfolgen. Die Stadt will, dass sich Berlins Kreativindustrien noch stärker miteinander vernetzen. Auch in der Stadtregierung spürt man einen Neubeginn.  

Anita Tillmann: Berlin investiert schon länger in Nachhaltigkeit, da gibt es tolle Initiativen wie der 202030 Summit. Hier gründen wahnsinnig viele Start-Ups mit Purpose oder Klimamission, und Berlin will im Bereich Fashion die Stadt für Nachhaltigkeit werden. Auf unseren Messen ist Nachhaltigkeit seit Anbeginn ein Thema. Bei SEEK gehört Nachhaltigkeit seit der Gründung vor 12 Jahren zur Kultur der Community. Diesen Sommer feiert der SEEK Conscious Club Premiere: Zusätzlich zur SEEK-Ausstellungsfläche entsteht damit eine eigene Area für nachhaltig agierende Brands mit Stage-Programm, Panels und Networking-Events. Also viel Raum für Austausch, Education und neue Impulse. Wir sind überzeugt, dass wir Marken mit diesem Fokus mit unseren Veranstaltungen das richtige Forum bieten. Dieses Thema wird uns immer prominent begleiten – so lange, bis es endlich the New Normal ist. 

Vielen Dank für das Gespräch.  
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