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Max Mara | „Unsere Kundinnen suchen ein Gesamterlebnis“

Max Mara | „Unsere Kundinnen suchen ein Gesamterlebnis“

Max Mara | style in progress
Für viele ist Nicola Gerber-Maramotti das Gesicht von Max Mara. Sie selbst redet allerdings nicht gerne über sich, umso lieber aber über das Unternehmen, das sie als Retail Director in den letzten Jahren entscheidend mitgeprägt hat. Und am allerliebsten redet sie über die Kundinnen der italienischen Erfolgsmarke.

Interview: Stephan Huber. Fotos: Max Mara

Ich vertrete die auf den ersten Blick vielleicht verstörende These, dass die Pandemie unserer Branche mittel- und langfristig mehr Chancen als Schaden gebracht hat. Würden Sie mir widersprechen?

Nicola Gerber-Maramotti: Menschen, und damit natürlich auch Unternehmen, wachsen an Herausforderungen. Und die Herausforderungen der letzten knapp zwei Jahre waren doch außergewöhnlich. Was ich vielleicht am intensivsten wahrnehme, ist eine neue Achtsamkeit im Umgang miteinander. Die Pandemie hat uns ja fast dazu gezwungen, dass wir uns wieder intensiver und bewusster austauschen. Übrigens nicht zuletzt auch mit uns selbst. Daraus ist viel Energie oder auch eine neue Intensität entstanden.

Die Pandemie hat also unseren Blick verändert?

Ich würde sagen, geschärft. Reisen beispielsweise mussten auf einmal im Kopf stattfinden. Und viele haben bemerkt, dass diese Reisen dann sogar weiter führen können. Das hatte einen sehr spannenden Einfluss auf die Kreativität.

Was wird davon bleiben?

Ich bin überzeugt, dass dieses neue Bewusstsein in vieler Hinsicht Bestand haben wird. Angesichts von Kleiderschränken, die mit nicht Relevantem verstopft waren, haben viele begonnen, der Unkultur des bewusstlosen Konsums nachhaltigeren Anspruch an Qualität in jeder Hinsicht entgegenzustellen. Das kommt den Werten von Max Mara sehr entgegen. Wir waren immer das Gegenteil von Fast Fashion. Einen 101801 Icon Coat wirft eine Frau nie weg. Sie verschenkt ihn vielleicht an ihre Tochter …

Was zeichnet die DNA von Max Mara über die beschriebene Wertigkeit hinaus aus?

Innovation als immerwährender Prozess der Weiterentwicklung und eine klare, stilistische Handschrift. Das ist eine große Herausforderung in einem sich so rasend schnell ändernden Marktumfeld. Wie sicher und selbstbewusst wir das als unverändert familiengeführtes Unternehmen leben, zeugt von einem sehr gesunden Fundament.

Corona hat in der Modeindustrie einen atemberaubenden Tech- und Digitalisierungsschub ausgelöst. Auch bei Max Mara?

Und wie! Und zwar auf allen Ebenen. Die Designprozesse wurden neu aufgestellt, ebenso viele digitale Formate und das Story Telling. Für eine Marke, die Retailkultur so lebt und liebt wie Max Mara, war es entscheidend Wege zu finden, unsere Kundinnen zu erreichen, wenn sie nicht zu uns kommen können. Und zwar so individuell und zugewandt, wie sie das von uns gewohnt sind und auch erwarten dürfen. Eigentlich haben wir in dieser Zeit wirklich gelernt, wie hybrider Handel funktioniert.

Und zwar wie?

Nur dann, wenn er wirklich auf die individuellen Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet ist. Phygital bedeutet ja letztlich nur, dass wir das Beste aus beiden Welten flexibel zu einer jeweils persönlichen Customer Journey verbinden. Wenn beispielsweise ein bestimmtes Teil vor Ort im Laden nicht vorrätig ist, dann liegt es an uns, das für die Kundin genau so zu organisieren, wie es am besten für sie passt. Also aus dem nur scheinbaren Mangel ein Service-Erlebnis zu machen. Dass über 70 Prozent unserer Kundinnen die Lieferung dann lieber in den Laden wollen als zu sich nach Hause, erscheint vielleicht auf den ersten Blick überraschend. Wer aber verstanden hat, dass es um wesentlich mehr geht, als einen Mantel, eine Bluse, eine Hose, der erkennt darin das Bedürfnis nach Authentizität und Qualität als Gesamterlebnis. Für uns war es wirklich eine Auszeichnung, zu erleben, mit welcher Freude unsere Kundinnen wieder zu uns in die Stores gekommen sind. Auch das ist ein wichtiges Learning für unsere Zukunft.

Für die Zukunft des stationären Teils innerhalb einer hybriden Handelslandschaft?

Unsere Kundinnen, und das gilt zweifelsohne nicht nur für Max Mara, haben ja nicht Bekleidung als existenzielle Notwendigkeit vermisst. Sondern Aufmerksamkeit, Zuwendung, das Glas Champagner, die Sinnlichkeit und Haptik von Mode. Dazu kommt, dass Innenstädte und Einkaufsstraßen nur symbiotisch funktionieren. Wenn die Gastronomie geschlossen ist, dann ist diese Symbiose gestört. Das alles wurde uns sehr drastisch vor Augen geführt. Aber als fast natürliche Reaktion darauf eben auch die Sehnsucht nach der Begegnung. Menschen sind keine Roboter.

Kunst und Kultur waren vielleicht noch intensiver herausgefordert als die Mode. Ein Thema, das für Max Mara fast wie ein gesellschaftspolitisches Anliegen erscheint.

Mein Schwiegervater Achille Maramotti war ein außergewöhnlicher, sehr weitblickender Mann, der übrigens auch Frauen wie mich sehr bewusst gefordert und gefördert hat. Die von ihm begründete Collezione Maramotti ist viel mehr als eine spannende Sammlung von zeitgenössischer Kunst. Es geht um den Einfluss und Wert der Kreativät in allen Bereichen unseres Lebens. Diese Idee weiterzuführen, ist für Max Mara eine Verpflichtung.

Auch hier sind neue Ebenen dazugekommen. Zum Beispiel der Max Mara Face of the Future Award.

Der macht mir, zugegeben, ganz besonders viel Spaß. Seit 2006 wird dieser Award im Rahmen der Initiative Women In Film an junge Schauspielerinnen verliehen, die gerade an einem entscheidenden Wendepunkt ihrer Karriere stehen. Darunter waren so wunderbare Frauen wie Chloe Moretz, Zoe Saldana oder Emily Blunt. 2021 durfte ich den Preis an die großartige, in Berlin geborene Zazie Beetz überreichen.

Steht sie für die Zukunft von MaxMara?

Eine kluge, witzige, selbstbewusste junge Frau und Weltbürgerin wie Zazie? Auf jeden Fall!

Danke für das Gespräch!
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