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André Johnson, Mythical Games | „Zum ersten Mal haben NFTs einen Nutzwert“

André Johnson, Mythical Games | „Zum ersten Mal haben NFTs einen Nutzwert“

Mythical Games | style in progress

Marken wie Gucci haben mit ihren eigenen Games experimentiert, Balenciaga hat eine Kollektion auf „Fortnite“ vorgestellt, und jetzt geht Burberry noch einen Schritt weiter: Für „Blankos Block Party“ von Mythical Games hat die Marke eine Figur in limitierter Auflage gestaltet, sie heißt Sharky B und ist ein NFT. Könnte sich die Modebranche hier eine neue Einkommensquelle auftun? Das verrät André Johnson, VP of Business Development bei Mythical Games.

Interview: Petrina Engelke. Fotos: Mythical Games/André Johnson

„Blankos Block Party“ wirkt wie eine Welt für Actionfiguren. Wie funktioniert das als Spiel?

„Blankos Block Party“ ist eine Welt, in der Actionfiguren lebendig werden. Beim Einloggen kommst du zuerst in einen geselligen Raum namens The Junction, wo du mit anderen Spielern chatten kannst. Du kannst auch im Store vorbeischauen und du kannst zu vielen Abenteuern und Spielen losziehen. Ich finde es aufregend, Mode, Sport, Unterhaltung und IP [geistiges Eigentum, engl. intellectual property] zusammenzubringen, um unsere Kultur mit Hilfe eines Spiels voranzutreiben. Das ist etwas für Spieler und für Sammler, die dort ihre Lieblingsdesigns kaufen.

Umsatz innerhalb eines Spiels macht in der Gaming-Branche bereits einen Gutteil der Einnahmen aus, die für 2021 auf 180 Milliarden Dollar geschätzt werden. Was ist an Ihrer Herangehensweise so speziell?

Der Clou bei uns ist, dass jede Figur, jedes Accessoire im Spiel ein NFT ist. Das bedeutet, sie gehören den Spielern nach dem Kauf wirklich. Sie können sie auch im Spiel benutzen. Zum ersten Mal haben NFTs also einen Nutzwert. Sammler können sich aussuchen, ob sie ihre Investition behalten oder sie weiterverkaufen. Dafür bieten wir innerhalb unseres Mythical Marketplace einen gesonderten Handelsplatz. Und bei jedem Weiterverkauf verdienen die Designer, Marken oder Künstler hinter diesen Artikeln mit, sie bescheren den Urhebern jedes Mal Einnahmen, bis zum Sankt Nimmerleinstag. Das gab es noch nie. Auf Ebay, Stock X oder Goat werden Designer am Weiterverkauf ja nicht beteiligt.

Wie hat sich die Verheißung solcher Weiterverkaufsanteile denn für Burberry gerechnet?

Wir waren begeistert, wie schnell der Wert dieser Aktivposten in die Höhe ging. Burberrys Figur Sharky Bwar in weniger als 30 Sekunden ausverkauft. Minuten später gingen diese 300-Dollar-Figuren am Sekundärmarkt für mehr als 1.500 Dollar weg.

Wer hat den Preis von 300 Dollar denn festgelegt und was bekommen Burberry oder andere Modemarken?

Wir arbeiten gemeinsam am Verkaufspreis. Bei Burberry haben wir Empfehlungen abgegeben. Als Luxusmodemarke verkaufen sie im höheren Preissegment, wir haben aber auch darauf geschaut, was unser Spielerstamm sonst für Top-Level-Accessoires und -Figuren zahlt. Burberry oder andere Kooperationspartner bekommen Einnahmen aus dem Erstverkauf, und bei jedem weiteren Verkauf auch.

Das Design von Sharky B und seinen Accessoires beruht auf Burberrys Sommerkollektion. Einen Jetpack haben die aber nicht, soweit ich weiß. Wer hat sich das ausgedacht?

Also, wenn es irgendwo einen Burberry-Jetpack gibt, ist der bestimmt längst ausverkauft. Diese Designs haben deren Team und unser internes Designteam gemeinsam entwickelt. Grundlage war das neue Monogramm-Design, das Burberry in der Sommerkollektion nutzt. Das haben wir auf die Figur und den Jetpack gepackt und in Schwimmflügel und Hai-Schuhe übersetzt.

Ihr Job ist es nun nicht, Designs zu gestalten, sondern die perfekte Marke für eine Zusammenarbeit zu finden. Wie ging das: Ist Burberry auf Sie zugekommen oder haben Sie speziell nach Luxusmode gesucht?

Im Fall Burberry kamen die auf uns zu. Aber Sie haben Recht, als VP of Business Development ist es meine Aufgabe, mich nach Marken und Urhebern umzuschauen, die gut ins Game passen. Unsere nächste Modekooperation machen wir mit The Marathon Clothing, gegründet vom verstorbenen Nipsey Hussle.

Was macht denn eine Modemarke perfekt für Blankos Block Party?

Wir suchen Marken, die Kultur vorantreiben, die Technologie-affin sind und die sich für NFT begeistern. Als der Marathon-Clothing-Laden öffnete, war Nipsey bereits ein Zukunftsdenker, er befasste sich mit Kryptowährungen und rief Leute dazu auf, in sie zu investieren. Außerdem gründete er den meiner Ansicht nach ersten Smart Store, der Augmented-Reality-Technologie nutzte. Mit der App kann man im Marathon Clothing Store ein Etikett scannen und dann wird zusätzlicher Content oder ein Musikvideo auf dem Handy oder auf einem Bildschirm im Laden gezeigt. Nach solchen Marken suchen wir, die bereits in Technologie und Kultur fortschrittlich sind. Vielleicht haben sie eine Strategie, vielleicht nicht, vielleicht können wir ihnen damit helfen. Aber wir versuchen, zu orten, welche Marken an der Schnittstelle von Sport, Unterhaltung, Musik und Mode stehen und damit die Dinge vorantreiben.

Ihr Beispiel vom Kundenerlebnis im stationären Handel berührt auch etwas, das Mode und Games gemein haben: den Jagd-Kick. Man will seine Trophäe, man tritt gegen andere Leuten oder gegen die Uhr an. „Blankos Block Party“ sieht mir aber gar nicht so nach Wettstreit aus. Was passiert denn mit dem Jagdeifer?

Von außen betrachtet wirkt es vielleicht nicht wettbewerbsbetont. Aber tiefer drin sind manche Spiele ein Rennen gegen die Uhr: Wie viele gute Vibes kannst du in vorgegebener Zeit einsammeln? Es ist so eine Art familienfreundlicher, Comicbuch-artiger Wettbewerb. Zudem dreht sich bei den Spielern alles darum, die Figuren passend zu ihren eigenen Persönlichkeiten zu stylen und dann mit ihren Sammlungen zu protzen. Da kriegt dann Sharky B ein Paar Deadmou5-Schuhe angezogen. Und selbst hier in der Firma haben nicht alle einen Sharky B abbekommen. Ich bin einer dieser Unglücksraben. Ich hab mich extra früh eingeloggt, aber das ging so schnell.

Moment mal: Liegt Schnelligkeit bei Ihnen nicht in der Familie? Ihr Vater ist immerhin die Basketballlegende Earvin „Magic“ Johnson.

(lacht) Na ja, beim Sport: ja. Aber Onlineshopping? Keine Ahnung, ob sich das übertragen lässt.

Glauben Sie, dass das, was die Leute gerne spielen, etwas über das Marketing der Zukunft aussagt?

Ich denke, es gibt Marken die Gelegenheit, Designs, Kooperationen oder ihre Ideen in Zukunft anzutesten. Wenn sie wissen wollen, wie das Publikum reagieren würde, können wir es in „Blankos“ verwandeln und die Leute kaufen und kommentieren lassen und auch ermitteln, welchen Marktwert es hat.

Ich möchte noch mal auf etwas zurückkommen, das Sie vorhin erwähnt haben: Sammler. Sneaker zum Beispiel lassen manche Sammler in der Originalverpackung. Kein Staubflöckchen soll drankommen, weil das den Wert ruiniert. Gibt es so etwas auch bei den NFTs in Ihrem Spiel?

Erst einmal muss ich sagen: Ich bin auch so ein Sneaker-Fan, dieser Gedanke ist mir also nicht fremd. Mich zieht es nur zur anderen Seite des Spektrums:Schuhe kaufen, um sie zu tragen – aber danach kommen sie bitte wieder in den Karton. Und ich halte meine Sneaker blitzsauber. Ich bin der Turnschuhputzer für die ganze Familie. Also: Sammlerverhalten und NFTs. Ich glaube, jetzt haben Sammler zum ersten Mal einen Grund dafür, in einem Videospiel mehr als eine Figur zu kaufen. Wir erleben, dass manche denselben Blankos vier oder sechs Mal kaufen. Manche spielen nur mit einem, die anderen lassen sie im Lager und beobachten, welche Preise sie beim Weiterverkauf erzielen. Und wenn dir irgendwann die Zeit zum Spielen zu schade ist, kannst du diese Investitionen durch die NFTs wieder reinholen, die du im Spiel erworben hast und am Sekundärmarkt verkaufst.

Ist das neu oder gibt es das beim Gaming schon?

Das gibt es schon, aber wir haben uns die Mühe gemacht, den Handel auf der Blockchain legal zu machen. Vorher fand so etwas auf grauen Märkten statt, und das ist nicht legal. Deshalb dachten wir: Wir sammeln und spielen gerne, aber dafür will keiner ins Gefängnis.

In der Kunstwelt haben wir schon erlebt, dass NFTs viele solcher Fragen aufwerfen, auch in Bezug auf Speicherung und dauerhafte Zugänglichkeit. Gehört diese Unsicherheit quasi zum Spiel?

Wenn jemand ganz neu im Bereich Blockchain ist: ja. Aber alle unsere NFTs sind auf der Blockchain hinterlegt, haben eine Seriennummer und sind im Ledger verifizierbar. Es gibt keinen Zweifel, dass dir dein NFT gehört. Es ist toll, Künstlern und Marken die Sorge zu nehmen, dass Betrüger Dinge weiterverkaufen könnten, die gar nicht die echten Sharky-B- oder Deadmou5-Figuren sind.

Planen Sie auch Verbindungen ins wirkliche Leben, zum Beispiel mit Kleidung aus dem Spiel, die auch für Menschen angeboten wird?

Ja, wir schauen definitiv nach Möglichkeiten, die materielle und digitale Welt zu vereinen, wenn man so will. Nächstes Jahr können wir hoffentlich einige solcher Experimente testen.

Unterdessen wirken Laufsteg und Schaufensterbummel wie Klamotten aus der Mottenkiste. Was wird Ihrer Meinung nach in Zukunft die Nachfrage antreiben, woher wissen die Leute, was angesagt ist?

Durch Innovation, denke ich, und durch ein dauerndes Hin und Her zwischen einer digitalen und einer materiellen Sicht. Marken gehen in den digitalen Raum, um das Gaming-Publikum zu erreichen, und das wiederum bekommt mehr von diesen Marken und ihren Ideen mit. Ich glaube, Marken werden dabei alles herausholen und limitierte Auflagen sowohl digitaler als auch materieller Art anbieten und dann vielleicht eine materielle Version einer digitalen Videospielfigur oder von deren Kleidung machen. Eine Ausweitung der Blankos-Figuren auf Kleidung kann ich mir gut vorstellen, sogar eine Zeichentrickserie mit ihnen.

Was kann die Modeindustrie von der Unterhaltungsbranche, in der Sie einen Gutteil Ihrer Karriere verbracht haben, lernen?

Aus Modesicht verstärkt es die Verbundenheit der Menschen mit den entsprechenden Marken, wenn sie die Innovationswelle durch NFTs mitmachen. Deshalb glaube ich, wir werden weiter zusammen etwas Neues auf die Beine stellen, so wie die Unterhaltungsbranche die ganzen Streaming-Dienste einbezogen hat. Netflix, Hulu, Peacock, Amazon Prime Video: Darauf stehen die Leute. Und wir hoffen, dass die Modeindustrie uns als einen weiteren Kanal für Kreative betrachtet.

André Johnson | style in progress
André Johnson, VP of Business Development bei Mythical Games, arbeitet seit sieben Jahren in der Gaming-Branche. Zuvor war er im Bereich Unterhaltung und Sport. Und wenn man sieht, wie er seine Sneaker behandelt, ist klar: Sein Herz schlägt auch für Mode.
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